Die Bücher von Umber, Band 3: Das Ende der Zeit
heraus.
»Das sieht ja aus wie eins von Ihren Notizbüchern«, sagte Hap.
»Caspar hat dieselbe Sorte benutzt«, antwortete Umber. Seine Miene entspannte sich, als er die ersten Seiten überflog. »Und das ist Caspars Handschrift. Oh, das wird sehr hilfreich sein.« Er bemerkte, dass Hap sich vorbeugte, und drehte die Seiten so, dass er besser sehen konnte. »Hier hat er alles zusammengefasst, was er den Dokumenten entnehmen konnte.«
Umber legte das Notizbuch auf seinen Schoà und holte einen Stapel mit alten Pergamentpapieren aus der Schatulle. »Das hier ist das Quellenmaterial, und in dem Notizbuch finden wir die Schlussfolgerungen, die Caspar daraus gezogen hat. Wie groÃartig! Ich sag dir was. Du versuchst dich an dem alten Kram, weil du all diese Sprachen kannst, und ich lese mir das Notizbuch durch.«
Hap war über eins der alten Dokumente gebeugt, das in der untergegangenen Sprache eines fernen Landes geschrieben war und von einem seltenen Volk bösartiger grünäugiger Menschen handelte. Er hatte es halb durchgelesen, als Umber mit feierlicher Miene das Notizbuch sinken lieÃ. »Happenstance«, sagte er.
Hap bekam jedes Mal einen Schreck, wenn Umber seinen Namen vollständig aussprach. »Was ist?«
»Möchtest du wissen, wie Fädenzieher entstehen?«
Hap bekam sofort einen trockenen Mund vor Nervosität und sein Puls schien dreimal so schnell zu rasen. »W-Wie denn?«
»Es gibt eine Essenz â eine Flüssigkeit. Die wird in die Augen von jemandem geträufelt, der vor kurzem ⦠nun, du weiÃt schon â¦Â« Umber holte tief Luft. »â¦Â verstorben ist.«
Hap zitterten die Glieder. Es war nicht unbedingt ein Schock, denn sie waren sich auch vorher schon fast sicher gewesen, dass Julian Penny, sein altes Ich, ertrunken war und dass sein Tod von einem Fädenzieher namens Willy Nilly in Kauf genommen worden war. Trotzdem traf ihn diese Bestätigung wie ein Schlag in die Magengrube.
»Eine ⦠Essenz hat mich gemacht?«, fragte Hap und betastete seine Augenwinkel.
Umber nickte. »Sie hat dir deine ungewöhnlichen Begabungen verliehen â deine allumfassenden Sprachkenntnisse, deine Nachtsicht, deine kräftigen Beine und natürlich die Fähigkeit, diese Lichtfäden zu sehen. AuÃerdem hat sie deine alten Erinnerungen ausgelöscht.« Er schaute wieder in das Notizbuch. »Und es gibt nur eine Quelle für diese Essenz.«
Hap wartete.
»Das wird dir nicht gefallen«, sagte Umber. Er klappte das Büchlein zu, legte aber einen Finger zwischen die Seiten, die er gerade las.
Hap schluckte. »Mir hat noch nie irgendetwas davon gefallen.«
Umbers untere Zahnreihe drückte sich in seine Oberlippe. »Diese Essenz wird den Augen eines anderen Fädenziehers entnommen. Das ist die einzige Möglichkeit, an sie heranzukommen.«
»Das heiÃt also â¦Â« Hap wurde ganz schwindlig, während er verzweifelt versuchte, die naheliegende Schlussfolgerung von sich wegzuschieben.
»Das heiÃt, dass ein anderer Fädenzieher sterben musste, damit du gemacht werden konntest«, sagte Umber. »Oder er wurde geblendet.«
Hap presste die Handflächen auf seine Augen. Stöhnend wiegte er sich vor und zurück. Die Liste der Schrecken wurde immer länger. Er dachte an den armen Julian Penny â den Jungen, der er gewesen war und der doch ein Fremder für ihn war. Er dachte an Julians Eltern und die schicksalhafte Verkettung von Umständen, die ihn den Händen eines Monsters ausgeliefert hatte. Und jetzt hatte auch noch jemand anders seine Augen verloren und wahrscheinlich auch sein Leben, damit Hap ein Fädenzieher werden konnte. »Glaubst du, Willy Nilly hat das getan? Einen anderen Fädenzieher getötet, meine ich?«
»Möglicherweise«, sagte Umber. Er berührte Hap an der Schulter. »Mach dir keine Vorwürfe. Du hast um nichts von alldem gebeten. Es ist dir einfach passiert. Aber vergiss nicht: Du musst an das denken, was vor dir liegt, auch wenn du deine Entstehung einer Tragödie verdankst. Wir werden eine Welt retten, du und ich. Eine Milliarde Menschenleben oder mehr.«
Hap nickte und wischte sich eine Träne quer über die Wange. »Was hat Caspar denn sonst noch in Erfahrung gebracht?«
Umber klappte das Büchlein wieder auf. »Möchtest du, dass ich es dir erzähle, während
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