Die Bücher von Umber, Band 3: Das Ende der Zeit
auch Umber sie. Seine Augen leuchteten, als er auf dem Tisch zudem das Tablett mit der vertrauten Kanne erspähte, aus deren Tülle Dampf aufstieg. »Und wisst ihr, was auch auch wunderbar ist?« Er drehte sich auf der Suche nach Balfour um sich selbst und war enttäuscht, als er nur noch dessen Stiefelabsätze zu sehen bekam, denn Balfour war wortlos über die Treppe nach oben verschwunden. Umber schaute ihm mit vorgeschobener Unterlippe nach, zuckte dann die Achseln und wandte sich zu Hap um. »Ich gönne mir jetzt ein, zwei Becher, Hap, und dann widmen wir uns wieder diesen alten Dokumenten.«
»Was liest du gerade, Hap?«
Hap hielt die Schriftrolle hoch, damit Umber sie sehen konnte. »Die ist in Dwergh-Sprache. Eine alte Geschichte über jemanden namens Smaragdauge, der ein Fädenzieher gewesen sein muss. Zwei Dwergh-Könige führten einen Krieg und beide Seiten bekamen jedes Mal Angst, wenn ein grünäugiger Mann auftauchte, weil dann kurze Zeit später etwas schiefging.«
»Von dieser Geschichte gibt es viele verschiedene Versionen auf der ganzen Welt«, sagte Umber und zeigte auf eine Seite aus Caspars Notizbuch. »Hier steht wieder etwas Merkwürdiges. Wie wir schon vermutet haben, können Fädenzieher nach Belieben verschwinden und an einem anderen Ort wiederauftauchen. Doch sie können offenbar nur dann verschwinden, wenn sie nicht beobachtet werden â nur wenn sie gerade keiner anschaut!«
»Wenn wir Willy Nilly also noch einmal begegnen â¦Â«
»Genau. Dann lassen wir ihn nicht aus den Augen. Lass mich kurz zusammenfassen, was Caspar sonst noch herausgefunden hat. Du kennst doch diese Lichtfäden, die du manchmal siehst, die Filamente? Menschen haben sie und Fädenzieher auch. Aber die meisten anderen Lebewesen nicht.«
»Occo hatte sie auch«, sagte Hap und dachte an die schreckliche Augen stehlende Kreatur zurück, die ihn einmal verfolgt hatte.
»Ja. Occo, der Widerling. Aber warum hatte er sie wohl? Vielleicht, weil seine Gattung teilweise auch menschliche Eigenschaften besitzt. Oder weil sie Menschenaugen stiehlt. Wenigstens brauchen wir uns seinetwegen keine Sorgen mehr zu machen. Aber wo war ich? Viele Fädenzieher â wahrscheinlich die meisten von ihnen â sind bloà Witzbolde, die sich mit Kleinkram beschäftigen. Andere haben mit ihren Machenschaften und Intrigen ganze Königreiche zum Einsturz gebracht. Es ist unmöglich festzustellen, wie viele Fädenzieher es zu einem bestimmten Zeitpunkt gibt, da sie sich nach Belieben durch die Zeit hin und her bewegen. Ein Fädenzieher, der heute bei uns ist, kann jederzeit beschlieÃen, zehn Jahre oder gar ein ganzes Jahrhundert nach vorn zu springen. Und wenn sie einmal nach vorn gesprungen sind, können sie nicht mehr zurückkehren.
Fädenzieher treten offenbar paarweise auf, jedoch ohne einander wohlgesinnt zu sein. Sie sind Rivalen, Erzfeinde, und sie manipulieren Ereignisse mit einem jeweils eigenen Ziel. Während ein Fädenzieher beispielsweise versucht, zwei Liebende zusammenzubringen, sorgt sein Gegenspieler dafür, dass sie getrennt bleiben. Oder sie schlagen sich bei Konflikten zwischen zwei Ländern nicht etwa auf die Seite desselben Landes, sondern nehmen gegnerische Positionen ein.« Umber schlug das Büchlein zu und balancierte es auf seinem Knie. »Und das ist auch schon so ziemlich alles, was wir wissen. Es sei denn, du hast noch etwas in Erfahrung gebracht.«
Hap schüttelte den Kopf. »Nichts Wichtiges. Aber ich frage mich, wer Willy Nillys Gegenspieler war. Was glauben Sie?« Er führte unbewusst die Hände nach oben und berührte seine Augenwinkel.
Umber wiegte den Kopf. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Vielleicht waren sie beide in meiner Welt und haben dort ihren Unfug getrieben. Und dann hat Willy aus irgendeinem Grund entschieden, einen neuen Fädenzieher zu machen. Vielleicht hat er dafür ja die Augen seines Erzfeindes benutzt.«
»Meinen Sie, einer von den beiden hat dieses ganze Unheil in Ihrer Welt angerichtet?«, fragte Hap.
Umber dachte längere Zeit über diese Frage nach und tippte dabei mit dem Finger in die Rinne zwischen seiner Nase und seinem Mund. »Ja, möglicherweise«, sagte er dann. »Für einen Fädenzieher wäre es ziemlich leicht gewesen, dort Chaos zu stiften. Aber jetzt möchte Willy die Sache wieder
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