Die Bücher von Umber, Band 3: Das Ende der Zeit
Mündel wartet hier?«, fragte er Umber, doch es klang eher wie ein Befehl als wie eine Frage.
Umber kochte seit der Begegnung mit Fay innerlich, doch er bekam seine Gesichtszüge in den Griff und legte Hap eine Hand auf die Schulter. »Nein, er begleitet mich zur Audienz.«
Tattersall zuckte so heftig zurück, dass seine Kiefer bebten. »Ich glaube kaum, dass der König â«
»Schon gut, Tattersall, schick sie endlich rein«, kam eine Stimme von jenseits der Flügeltür. Sie war schwach und rau, strotzte aber immer noch vor Autorität. Tattersall schien den Kopf einzuziehen. Er streckte einen Arm aus und wies Umber und Hap in den Raum. Als sie drinnen waren, hörte Hap Tattersalls klackernde Absätze schnell durch den Korridor verschwinden.
Hap wurde von den Wänden des Raums geblendet. Sie waren golden und reflektierten das Licht der Kerzen, die auf vergoldeten Tischen standen. Die Fensterreihe gegenüber war aus dem reinsten Glas, das Hap jemals gesehen hatte, und bot eine unverzerrte Aussicht über die Küstenstadt Kurahaven, ihren Markt und den glitzernden Hafen. Der Raum war mit königlichem Prunk angefüllt: riesige Gobelins, gewebte Teppiche auf poliertem Holzparkett, Stühle mit FüÃen wie Löwentatzen und eine mannshohe Uhr mit silbernem Zifferblatt. Als Hap das Himmelbett am hinteren rechten Ende des Raums bemerkte, wurde ihm klar, dass sie das Schlafzimmer des Königs betreten hatten. Ein Anflug von Zweifel durchfuhr ihn: Hier gehöre ich nicht hin , dachte er. Umber lehnte sich zur Seite und versuchte, durch die schleierartigen purpurnen Vorhänge zu spähen, die das Bett umgaben.
»Hier, ihr Dummköpfe!«, erklang eine krächzende Stimme. Hap und Umber drehten sich gleichzeitig um und sahen König Tyrian an einem mächtigen Schreibtisch aus dunklem, rotem Holz sitzen. Neben einem hohen Stapel Pergamenten stand eine Schreibfeder bereit. Ãber ihm hing ein riesiger ausgestopfter Hirschkopf, der aus braunen Marmoraugen auf sie herunterblickte.
»Eure Majestät«, sagte Umber. Mit weit ausgebreiteten Armen verbeugte er sich tief und streckte dabei einen Fuà vor, die Ferse auf dem Boden, die Zehen nach oben. Mit einem Arm stieà er Hap an, der die Verbeugung so gut es ging nachzuahmen versuchte. Hap blickte verlegen auf und war erleichtert, dass der König sie beide ignorierte und weiter mit der Feder ein Pergament beschrieb. Die Feder in seiner zittrigen Hand war so lang, dass sie den König beinahe am Ohr kitzelte.
Umber verharrte in seiner Verbeugung. »Ich freue mich, Eure Hoheit zu sehen â¦Â«
»Sie freuen sich, mich endlich einmal auÃerhalb dieses verfluchten Bettes zu sehen, meinen Sie?«, grollte der König. »Das will ich doch hoffen.« Er fuchtelte mit der Hand in der Luft herum. Damit wollte er wohl andeuten, dass sie sich nicht länger verbeugen mussten. Als Hap sich aufrichtete, sah der König ihn an. Hap senkte seinen Blick, hatte aber einen ersten Eindruck vom Gesicht des Königs gewonnen: rot geränderte Augen mit dunklen Tränensäcken, eingefallene Wangen und runzlige, von Altersflecken übersäte Haut. Seine Haare waren gelblichgrau und oben ausgedünnt und er trug einen Bart, der unten gerade abgeschnitten war.
»Ich habe von diesem Jungen gehört«, murmelte Tyrian. »Und von diesen grünen Augen.«
»Eure Majestät«, begann Umber, »lasst mich zuerst mein aufrichtiges Beileid zu den Tragödien aussprechen, die Ihr â«
»Genug davon!«, keifte Tyrian. Er schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte. »Ich habe wochenlang getrauert. Sie sind nicht hierher gerufen worden, um mir noch mehr Schmerz aus dem Herzen zu pressen.«
Umber beugte den Kopf. »Ich bitte um Entschuldigung, Sire. Bitte sagt mir, wie ich Euch heute zu Diensten sein kann.«
Der König schmatzte laut mit den Lippen und verzog das Gesicht, während er auf seinem Stuhl herumrutschte. »Was soll ich nur mit Ihnen machen, Umber? Sie haben so viel für das Königreich getan. Und doch frage ich mich: Haben Sie genug getan?«
»Ich verstehe nicht, Eure Hoheit.«
Tyrian schnaubte wie ein Bulle. »Ach nein? Hm â¦Â« Er lieà die Schultern kreisen und machte ein Hohlkreuz. Vergeblich suchte er nach einer bequemeren Haltung. »Berichten Sie mir von Ihrer Gefangenen. Lebt sie noch?«
»Turiana?«,
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