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Die Bücherdiebin

Die Bücherdiebin

Titel: Die Bücherdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Zusak
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nicht immer das, was man sich wünscht.
    Besonders nicht im Dritten Reich.
    Wieder verging Zeit.
    Der Krieg dehnte sich aus.
    Max blieb vor den Augen der Welt verborgen, in einem anderen leeren Zimmer. Bis das Unausweichliche geschah.
    Walter wurde nach Polen geschickt, um dort die Machtausübung der Deutschen über Polen und Juden gleichermaßen zu unterstützen. Die Zeit war gekommen.
    Max überstand die Reise nach München und dann nach Molching und saß jetzt in der Küche eines Fremden, flehte um die Hilfe, nach der er sich sehnte, und litt unter der Verdammnis, die er zu verdienen empfand.
    Hans Hubermann gab ihm die Hand und stellte sich vor.
    Er kochte Kaffee im Dunkeln.
    Das Mädchen war schon seit geraumer Weile wieder im Bett, aber jetzt ertönten neue Schritte. Die unbekannte Größe.
    In der Dunkelheit waren alle drei völlig allein. Sie alle starrten. Dann sprach die Frau.
    rosas zorn
    Liesel war wieder in den Schlaf gesunken, als die unverwechselbare Stimme von Rosa Hubermann die Küche betrat. Sie rüttelte das Mädchen wach.
    »Was ist hier los?«
    Die Neugier übermannte sie. Sie stellte sich vor, wie nun Rosas Zorn eine Schimpftirade folgen würde. Es waren Geräusche zu hören, das Schaben von Stühlen.
    Nach zehn Minuten voller Selbstbeherrschung schlich Liesel durch den Flur. Was sie sah, erfüllte sie mit Erstaunen, denn Rosa Hubermann stand neben Max Vandenburg und schaute zu, wie er ihre berüchtigte Erbsensuppe schluckte. Auf dem Tisch stand Kerzenlicht. Es flackerte nicht.
    Mama blickte ernst.
    Ihre plumpe Gestalt glühte vor Sorge.
    Aber aus irgendeinem Grund lag auch ein Ausdruck von Triumph auf ihrem Gesicht, und es war nicht der Triumph, einen Mitmenschen vor der Verfolgung zu bewahren. Es war eher wie: »Seht ihr? Er beklagt sich keineswegs über die Suppe.« Sie schaute von der Suppe zu dem Juden und zurück zur Suppe.
    Als sie wieder etwas sagte, fragte sie lediglich, ob er noch mehr haben wollte.
    Max lehnte ab. Stattdessen stürzte er zur Spüle und übergab sich. Sein Rücken zuckte krampfend, und seine Arme waren ausgebreitet. Seine Finger umklammerten das Metall.
    »Jesus, Maria und Josef«, murmelte Rosa. »Noch so einer.«
    Max drehte sich um und bat um Verzeihung. Seine Worte waren schlierig und geschrumpft, niedergedrückt durch die Magensäure. »Es tut mir leid. Ich glaube, ich habe zu viel gegessen. Mein Magen, wissen Sie, es ist so lange her, seit ... Ich glaube nicht, dass ich das vertragen...«
    »Weg da«, befahl ihm Rosa. Sie fing an, sauber zu machen.
    Als sie fertig war, fand sie den jungen Mann am Tisch sitzend vor, völlig entkräftet. Hans saß ihm gegenüber. Seine Hände wölbten sich auf dem Holz der Tischplatte.
    Liesel konnte vom Flur aus das zermürbte Gesicht des Fremden sehen und dahinter die Besorgnis, die wie Kreide in Mamas Gesicht gerieben war.
    Sie betrachtete ihre Pflegeeltern.
    Wer waren diese Leute?
    die mahnung
    Was genau für Leute Hans und Rosa Hubermann waren, war nicht so leicht zu definieren. Freundliche Leute? Lächerlich unwissende Leute? Leute von fragwürdiger geistiger Gesundheit?
    Leichter zu benennen war ihr Dilemma.
    ROSA UND HANS HUBERMANNS GEGENWÄRTIGE LAGE
    Sehr brenzlig. Genauer gesagt: entsetzlich brenzlig.
    Wenn ein Jude in den frühen Morgenstunden in deinem Haus auftaucht, und das auch noch ausgerechnet dort, wo der Nationalsozialismus das Licht der Welt erblickt hat, dann ist es wahrscheinlich, dass man ein erhebliches Maß an Unbehagen verspürt. Angst. Unglauben. Paranoia. Jedes einzelne Gefühl spielt eine Rolle, und jedes führt zu dem wachsenden Verdacht, dass die Konsequenzen alles andere als erstrebenswert sein könnten. Die Furcht ist glänzend. Sie blendet die Augen.
    Überraschenderweise gelang es ihnen trotz dieser schimmernden Angst, die die Finsternis durchleuchtete, dem Verlangen, hysterisch zu reagieren, zu widerstehen.
    Mama schickte Liesel ins Bett.
    »Geh schlafen, Saumensch.« Die Stimme war ruhig, aber bestimmt. Sehr ungewöhnlich.
    Papa kam ein paar Minuten später in Liesels Zimmer und schlug die Decke auf dem leeren Bett zurück.
    »Alles in Ordnung, Liesel?«
    »Ja, Papa.«
    »Wie du gesehen hast, haben wir einen Gast.« Sie konnte kaum Hans Hubermanns große Gestalt in der Dunkelheit wahrnehmen. »Er wird heute Nacht hier schlafen.«
    »Ja, Papa.«
    Ein paar Minuten später stand Max Vandenburg im Zimmer, geräuschlos und undurchsichtig. Der Mann atmete nicht. Er bewegte sich nicht. Und doch

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