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Die Buecherfluesterin

Die Buecherfluesterin

Titel: Die Buecherfluesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anjali Banerjee
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betrachtete den dicken Mann mit Sonnenbrand und schütterem, vom Wind zerzaustem grauem Haar, der einige Meter entfernt am Ufer entlangschlenderte. Der blasse Bauch quoll ihm über das Bündchen seiner karierten Shorts.
    » Mir ist es egal, wie du aussiehst«, antwortete ich. » Ich liebe dich um deiner selbst willen. Wegen deiner inneren Werte.«
    Aber hatte ich die eigentlich je wirklich gekannt? Ich dachte zwar, ich hätte begriffen, wer Robert war, doch er hatte mir nur etwas vorgemacht. Können wir einen anderen Menschen überhaupt jemals kennen?
    Was weiß ich schon über Connor? Ich ziehe die Schuhe an und eile nach unten und zur Tür hinaus, aber er ist spurlos verschwunden. Kein Auto, kein Fahrrad, kein davongehender Mann. Nur die Straße, die sich wie ein weißes Band zum Wasser schlängelt, und über mir ein Sternenmeer an einem schwarzen Firmament. Schau dir die Sterne an.
    Robert hat sich nie die Sterne angesehen– er war zu sehr damit beschäftigt, andere Frauen anzugaffen. Nun bin ich von seinen irdischen Gelüsten und den Begrenzungen meines alten Lebens befreit. Und ich stelle mir vor, wie ich mich ins Universum erhebe und fremde Gebiete erkunde. Ich berühre mit dem Finger meine Lippen, wo ich Connors Kuss noch spüren kann.
    Ich drehe mich wieder zum Haus um und erschaudere beim Eintreten, denn Connors Abwesenheit ist erdrückend. War es ein Fehler, ihn fortzuschicken? Nein, ich bin noch nicht so weit. Vielleicht werde ich es ja nie wieder sein.
    Ich gehe zu Bett, schlafe unruhig und bin schon vor Morgengrauen wach. Als die Dunkelheit weicht, jogge ich durch die kühle Morgenluft über den Strand. Ohne Mobiltelefon. Ich muss erst den aufgestauten Bewegungsdrang loswerden.
    Fast zwei Stunden lang folge ich der Küste, bis mir die Füße wehtun. Beinahe hoffe ich, Connor zu begegnen, aber ich treffe nur die Kormorane, die sich auf den Wellen treiben lassen; Möwen kreischen durchdringend, und ein Seehund paddelt, taucht und beobachtet mich mit Murmelaugen. Ich frage mich, was er sich wohl beim Anblick einer einsamen Frau mit zerzaustem Haar denkt, die über den vom Wind aufgewirbelten Sand rennt.
    Ich bleibe stehen, um die Schätze einzusammeln, die das Meer mir vor die Füße legt– die gerillte rosafarbene Schale einer Herzmuschel, die beiden Hälften noch unversehrt und miteinander verbunden. Außerdem buntes Vulkangestein. Gerade noch rechtzeitig kehre ich, atemlos, aber erfrischt, zum Buchladen zurück.
    Heute trägt Tony Hellblau– ausgeblichene, an den Knien modisch zerrissene Jeans und ein hellblaues T-Shirt mit der Aufschrift Vorsicht, sonst kommen Sie in meinem nächsten Roman vor! Er hantiert wie immer geschäftig herum, ordnet Bücherarrangements und tauscht die Zeitungen in der Eingangshalle aus. » Wo hast du denn gesteckt? Ich dachte schon, die Insel hätte dich verschluckt.«
    » Ich war am Strand. Bin gleich wieder da.« Ich haste nach oben, um zu duschen und mich umzuziehen. Ich fühle mich lebendig und hellwach. Das Laufen hat mir gutgetan. Ich schmecke Salz auf meinen Lippen.
    Als ich wieder unten bin, mache ich mir eine Tasse starken Kaffee und schleppe eine gerade eingetroffene Bücherkiste in die Belletristikabteilung.
    » Wie war deine Verabredung gestern?«, erkundigt sich Tony, der plötzlich neben mir steht. Er nimmt den Lieferschein aus dem Karton.
    » Er hat mich geküsst, mehr nicht.«
    » Und wie hat es sich angefühlt?« Er fängt an, Bücher aus dem Karton in die Lücken im Regal zu stellen.
    » Wie ein Kuss eben, ich weiß nicht. Gut. Angenehm.«
    » Sexy?«
    » Ja, das auch.« Ich werde rot, als ich mich erinnere.
    » Was sonst noch?« Tony lässt sich im Schneidersitz neben dem Karton auf dem Teppich nieder und sortiert die restlichen Bücher zu Stapeln.
    » Sonst nichts. Wir haben geredet.« Ich setze mich neben ihn. » Nachdem er mich geküsst hat, bin ich ausgeflippt, und er ist gegangen. Ich war machtlos dagegen.«
    » Du bist verletzt worden. Er wird es verstehen.«
    » Vielleicht habe ich ihn ja für immer vergrault.«
    Tony zeigt mit einem Buch auf mich. » Der kommt wieder. Und das nächste Mal amüsierst du dich richtig mit ihm!«
    Ich versetze Tony einen spielerischen Klaps auf den Arm. » Ich hatte nicht vor, gleich mit ihm ins Bett zu steigen. Wie stellst du dir das vor? Soll ich mich splitternackt ausziehen, unter die Decke schlüpfen und sagen: › Hier bin ich, ich gehöre dir‹?«
    » Was spricht denn gegen ein kleines Affärchen? Du brauchst

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