Die Buecherfluesterin
einen langen Atem haben.«
» Ich arbeite schon seit einer Ewigkeit im Buchhandel, aber der Laden deiner Tante gefällt mir am besten. Ich möchte ihn gegen keinen anderen tauschen. Trotzdem warte ich auf den großen Durchbruch.« In seinem Tonfall lassen sich unerfüllte Träume erahnen.
» Du könntest nach New York fliegen und einem Verlag so lange auf die Nerven fallen, bis er dein Manuskript nimmt, nur um dich wieder loszuwerden.« Ich grinse, selber erstaunt über meinen brillanten Ratschlag.
» Dann zeigen die mich vielleicht noch wegen Nachstellung an.«
» In diesem Fall halte dich an den alten Wahlspruch: Vertraue auf dein Talent, und gib niemals auf.«
Seine Miene erhellt sich. » Das klingt schon besser. Du solltest das auch tun.«
» Ich habe kein Vertrauen mehr in meine Selbsteinschätzung. Schließlich habe ich mir meinen Ex selbst ausgesucht– und bin auf seinen Charme hereingefallen, ohne sein wahres Gesicht gesehen zu haben.«
» Das tut mir leid. Ich kenne das. Zwar keine Scheidung, aber ein gebrochenes Herz. Das ist das Gleiche, oder? Man fühlt sich wie in einem Nebel.«
Nachdem Robert fort war, rauschte die Welt an mir vorbei, während ich mich bleischwer weiterschleppte und es kaum schaffte, jeden einzelnen Tag zu überstehen. » Als mein Mann ausgezogen ist, war ich total wirr im Kopf. Ich bin an der Tankstelle losgefahren, obwohl der Zapfhahn noch im Tank steckte. Ich habe den Kaffeebecher auf dem Autodach stehen gelassen. Und einmal war ich sogar mit zwei verschiedenen Schuhen im Büro.«
Tony bricht ein klebriges Stück Zimtbrötchen ab, steckt es in den Mund und entgegnet kauend. » Wie verschieden waren denn die Schuhe? Ein roter und ein weißer? Ein Stöckelschuh und ein Ballerina? Mach schon, werd ein bisschen genauer.«
Als ich lachen muss, kommt mir beinahe der Kaffee aus der Nase. » Zwei schwarze Schuhe, die recht ähnlich aussahen, nur dass der eine vorne ein Riemchen hatte und der andere nicht.«
» Also war es ein wirklicher Irrtum.«
Ich nicke. » Aber ich habe auch echt dämliche Fehler gemacht. Zum Beispiel habe ich vergessen, die Stromrechnung zu bezahlen, und als ich eines Abends nach Hause kam, hatten sie mir den Strom abgeschaltet.«
» Sei nicht so streng mit dir. Du hast diesen Typen schließlich einmal geliebt. Wie hieß er noch mal?«
» Robert.« Es tröstet mich, dass der Name für Tony nicht unvergesslich war.
» Egal. Du wolltest nur das Beste von ihm annehmen. Ich weiß, wie das ist. Ich war auch mal verliebt. Bis über beide Ohren.«
» Moment mal. Ich dachte, du wärst Spezialist in Sachen Unverbindlichkeit.«
Er lässt den Kopf hängen und sieht mich dann mit einem verlegenen Lächeln an. » In diesem Fall war es alles andere als unverbindlich. Damals hätte ich für die Liebe alles hingeschmissen. Mein Hirn war wie Brei.« Als er sich den Finger an die Stirn hält, bin ich nicht sicher, ob er seine Worte unterstreichen oder einen Kopfschuss nachahmen möchte.
» Was ist passiert?«
Tony lässt die Hand auf den Tisch sinken und spielt mit dem Holzstäbchen zum Kaffeeumrühren herum. » Ich war nicht derjenige, der Schluss gemacht hat. Ich war verliebt. Aber er hat die Beziehung beendet, und ich konnte rein gar nichts dagegen tun.« Er zeigt mit dem Stäbchen auf mich. » Da bin ich total durchgedreht. Ich bin in der Unterhose raus auf die Straße und hinter seinem schwarzen Mercedes hergelaufen.«
Mir bleibt der Mund offen stehen. » Was hast du getan?«
» Mitten in der Stadt, am Vormittag im Berufsverkehr. Alle haben sich meine Unterhose von Calvin Klein gut anschauen können. Oder war sie von Ralph Lauren? Ich kann mich nicht erinnern, ist auch egal. Jedenfalls war es eine enge Unterhose, keine Boxershorts.«
» Es tut mir leid, dass du so etwas durchmachen musstest.«
» Ich hätte so etwas nie von mir gedacht, aber ich war verzweifelt. Wir machen verrückte Sachen, wenn wir verzweifelt sind.«
» Stimmt.« Wie zum Beispiel, sich in einen sanften Arzt mit markanten Gesichtszügen zu verlieben, noch ehe man über seinen Ex hinweg ist. Trotzdem muss ich schmunzeln, wenn ich mir den immer so perfekt frisierten Tony vorstelle, wie er in einer Designerunterhose die Straße entlangrennt.
» Ich wünschte, ich könnte mich wieder verlieben«, sagt er wehmütig. » Kann ich Connor haben, wenn du ihn nicht nimmst?«
» Du verdorbenes Früchtchen!«
» Okay, ich warte ab, bis du genug von ihm hast. Zuerst musst du dich von ihm vernaschen
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