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Die Büchse der Pandora

Die Büchse der Pandora

Titel: Die Büchse der Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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runzelte die Stirn und sah ihn mit ihren wundervollen Augen erstaunt an.
    Ob sie das jemals kapiert?, überlegte Tommy. Wohl nicht, wenn ich es ihr nicht Wort für Wort erkläre.
    Laut sagte er: »Weißt du, wann die Züge nach London gehen, Bulger? Wir müssen heim. Wie weit ist es bis zum Bahnhof?«
    »Zehn Minuten zu Fuß. Aber ihr braucht euch nicht zu beeilen. Der nächste Zug geht um 18 Uhr 35, und jetzt ist es erst zwanzig Minuten vor sechs.«
    »Wie geht man denn von hier zum Bahnhof?«
    »Halte dich links, wenn du aus dem Hotel kommst. Dann – warte mal – ich denke, durch die Morgan’s Avenue ist es am kürzesten, nicht wahr?«
    »Die Morgan’s Avenue?« Miss Glen zuckte zusammen und starrte ihn erschrocken an.
    »Ich weiß, woran Sie denken«, sagte Estcourt lachend. »Das Gespenst. Morgan’s Avenue führt am Friedhof entlang, und nach einer alten Sage wandert ein Polizist, der hier einen gewaltsamen Tod gefunden hat, auf seinem alten Rundgang in der Morgan’s Avenue auf und ab. Das Gespenst eines Polizisten! Zum Totlachen! Aber viele Leute schwören, dass sie ihn gesehen hätten.«
    »Ein Polizist?«, sagte Miss Glen leise. Sie schauderte. »Aber es gibt doch keine Gespenster, nicht wahr? Ich meine – so etwas gibt es doch nicht?«
    Sie stand auf und zog ihr Pelzcape enger um sich.
    »Auf Wiedersehen«, sagte sie flüchtig.
    Die ganze Zeit über hatte sie Tuppence ignoriert, und auch jetzt gönnte sie ihr nicht mal ein Kopfnicken. Aber über die Schulter warf sie noch einen erstaunten, fragenden Blick auf Tommy.
    In der Drehtür traf sie mit einem großen, grauhaarigen Mann zusammen, dessen Gesicht rot und aufgedunsen war. Mit einem Ausruf der Überraschung fasste er sie am Arm und führte sie hinaus, während er lebhaft auf sie einredete.
    »Wunderschöne Person, was?«, sagte Estcourt. »Aber weniger Verstand als ein Kaninchen. Man sagt, sie sei mit Lord Leconbury verlobt. Das war Leconbury dort im Eingang.«
    »Er sieht nicht gerade so verlockend aus, dass man ihn heiraten möchte«, bemerkte Tuppence.
    Estcourt zuckte die Schultern.
    »Titel üben immer noch einen gewissen Zauber aus, denke ich«, sagte er. »Und Leconbury ist durchaus kein verarmter Adeliger. Sie wird im Geld schwimmen. Niemand weiß, aus was für einem Hause sie stammt. Nicht weit weg von der Gosse, glaube ich. Ihr Aufenthalt hier hat etwas verteufelt Geheimnisvolles an sich. Sie wohnt nicht im Hotel. Und als ich versuchte zu erfahren, wo sie wohnt, hat sie mich angefahren – recht grob angeschnauzt, wie das so ihre Art ist. Hol mich der Teufel, wenn ich weiß, was das alles bedeuten soll.« Er schaute auf die Uhr und rief:
    »Ich muss weiter. Freu mich, euch beide wiedergesehen zu haben! Müssen mal zusammen in London ausgehen! Wiedersehen!«
    Er eilte fort. In diesem Augenblick brachte ein Boy ein Briefchen auf einem Silbertablett. Es trug keine Adresse.
    »Es ist für Sie, Sir; von Miss Gilda Glen«, sagte der Boy.
    Tommy riss den Umschlag auf und las den Brief mit einiger Neugier. Er enthielt nur ein paar flüchtige, undeutlich geschriebene Zeilen:
     
    Ich weiß es nicht bestimmt, aber vielleicht sind Sie in der Lage, mir zu helfen. Sie kommen auf dem Weg zum Bahnhof ohnehin an dem Haus vorbei. Könnten Sie zehn Minuten nach sechs beim » Weißen Haus« in der Morgan’s Avenue sein?
    Ihre Gilda Glen
     
    Tommy entließ den Boy mit einem Kopfnicken und reichte dann das Briefchen seiner Frau.
    »Unglaublich!«, rief Tuppence. »Ist ihr das vielleicht eingefallen, weil sie immer noch glaubt, dass du ein Priester bist?«
    »Nein«, meinte Tommy nachdenklich. »Wahrscheinlich eher, weil sie endlich begriffen hat, dass ich keiner bin. Nanu, was ist denn das?«
    »Das« war ein junger Mann mit feuerrotem Haar, einem kampflustigen Kinn und einem schäbigen Anzug. Er trat in die Halle und begann sofort, mit langen Schritten auf und ab zu laufen. Dabei brummte er immerfort vor sich hin.
    »Verdammt noch mal!«, rief er plötzlich laut und vernehmlich. »Ja, verdammt und verflucht!«
    Er ließ sich in einen Clubsessel in der Nähe des jungen Paares fallen und starrte sie missgelaunt an.
    »Der Teufel hole alle Weiber!«, sagte der junge Mann und warf wilde Blicke auf Tuppence. »Oh, bitte, machen Sie ruhig einen Skandal, wenn Sie Lust dazu haben. Lassen Sie mich aus dem Hotel werfen! Es wäre nicht das erste Mal. Warum soll man nicht sagen dürfen, was man denkt? Warum seine Gefühle verbergen, grinsen und schöntun wie alle

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