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Die Büchse der Pandora

Die Büchse der Pandora

Titel: Die Büchse der Pandora Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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heranreifen.
    »Er gehört zu den Leuten, die es immer eilig haben«, versetzte Tommy.
    Langsam wandte der Polizist seinen Blick Tommy zu und fragte mit deutlichem Misstrauen: »Ein Freund von Ihnen?«
    »Nein«, sagte Tommy. »Kein Freund. Aber ich weiß zufällig, wie der Mann heißt. Reilly ist sein Name – Reilly!«
    »Aha! Na, dann wollen wir mal unseren Rundgang weitermachen.«
    »Können Sie mir bitte sagen, wo das ›Weiße Haus‹ ist?«, fragte Tommy.
    Der Polizist wies mit dem Kopf auf das Gebäude neben ihnen. »Hier, Sie stehen direkt davor. Es gehört Mrs Honeycott.« Er schwieg. Dann fügte er erklärend hinzu: »Ein nervöses Frauenzimmer. Lebt in ständiger Angst vor Einbrechern. Sie bittet mich immer, ihr Haus und ihr Grundstück abzusuchen. Wenn Frauen in die Wechseljahre kommen, werden sie oft wunderlich.«
    »Also schon in den reiferen Jahren, wie?«, sagte Tommy. »Wissen Sie zufällig, ob zurzeit eine junge Dame bei ihr wohnt?«
    »Eine junge Dame?« Der Polizist grübelte angestrengt. »Eine junge Dame? Nein, das kann ich Ihnen nicht sagen.«
    »Vielleicht wohnt sie gar nicht hier«, warf Tuppence ein.
    »Und vielleicht ist sie noch gar nicht nachhause gekommen – sie hat erst kurz vor uns das Hotel verlassen.«
    »Oh!«, sagte der Polizist plötzlich. »Jetzt, wo Sie es sagen, fällt es mir wieder ein: Vor drei oder vier Minuten ungefähr ist eine junge Frau in das Haus gegangen. Ich habe sie gesehen, als ich die Straße heraufkam.«
    »Mit einem Pelzcape aus Hermelin?«
    »Ja, ich glaube, sie hatte so etwas um die Schultern. So eine Art weißes Kaninchen.«
    Tuppence lächelte. Der Polizist ging seines Weges, in die Richtung, aus der sie gekommen waren, und die beiden wandten sich dem Tor des »Weißen Hauses« zu.
    Plötzlich hörte man einen schwachen Schrei im Inneren des Hauses. Unmittelbar darauf wurde die Haustür aufgerissen, und James Reilly stürzte heraus. Sein Gesicht war weiß und verzerrt, und er starrte vor sich hin, ohne auf seine Umgebung zu achten. Er taumelte wie ein Betrunkener. Er wankte an Tommy und Tuppence vorbei und murmelte wie ein Besessener immerfort vor sich hin: »O Gott! O Gott! O mein Gott!«
    Er klammerte sich an den Torpfosten, als könne er so sein Gleichgewicht wiedergewinnen, und rannte dann in plötzlicher Panik, so schnell er konnte, die Straße zum Bahnhof hinunter. Der Polizist hatte die entgegengesetzte Richtung eingeschlagen.
     
    Tommy und Tuppence schauten einander verblüfft an.
    »Dort im Haus muss etwas geschehen sein!«, meinte Tommy. »Was kann unseren Freund Reilly bloß so furchtbar erschreckt haben?«
    Tuppence strich mit dem Zeigefinger den Torpfosten entlang und sagte nachdenklich: »Frisches Rot. Er muss irgendwo mit frischer Farbe in Berührung gekommen sein!«
    »Hm«, brummte Tommy. »Merkwürdige Sache. Ich glaube, wir sollten uns beeilen.«
    Im Eingang des Hauses stand ein Dienstmädchen mit weißem Spitzenhäubchen, sprachlos vor Empörung.
    »Haben Sie so etwas schon mal gesehen, Hochwürden!«, platzte sie schließlich heraus, als Tommy die Stufen heraufkam. »Der Bursche kommt her, fragt nach der jungen Dame und rast ohne meine Erlaubnis einfach die Treppe hinauf. Sie hat einen Schrei ausgestoßen wie eine Wildkatze, das arme, hübsche Fräulein. Er muss sie furchtbar erschreckt haben. Und dann kam er sofort wieder heruntergestürmt, mit leichenblassem Gesicht, als hätte er ein Gespenst gesehen. Was soll das nur bedeuten?«
    »Mit wem sprichst du da draußen, Ellen?«, fragte eine scharfe Stimme aus der Halle.
    »Das ist Madam!«, sagte Ellen.
    Sie zog sich zurück, und Tommy stand nun vor einer grauhaarigen Frau mit kalten, blauen Augen, die ein Zwicker nur schlecht verbarg; ihr hagerer Körper steckte in einem schwarzen, mit Jettperlen bestickten Kleid.
    »Mrs Honeycott«, sagte Tommy. »Ich möchte gern Miss Glen sprechen.«
    Mrs Honeycott blickte ihn scharf an und wendete sich dann Tuppence zu, die sie nachdenklich musterte.
    »Miss Glen? So. Na, dann kommen Sie herein.«
    Sie führte sie durch die Halle in einen Raum, dessen Fenster auf den Garten hinausgingen. Es war ein recht großes Zimmer, das aber wegen der vielen Stühle und Tische, die man hier abgestellt hatte, bedrückend und eng wirkte. Ein starkes Feuer brannte im Kamin, neben dem ein mit Chintz bezogenes Sofa stand. Die graue Tapete zeigte ein Muster aus schmalen Streifen und war oben mit einer Rosenbordüre eingefasst. Zahllose Stiche und Ölbilder hingen an

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