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Die Büro-Alltags-Bibel

Die Büro-Alltags-Bibel

Titel: Die Büro-Alltags-Bibel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Mai
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Vergleichen lässt sich das am ehesten mit den Klangfarben einzelner Instrumente: Ob ein Klavier oder eine Geige ein A spielt, macht für den Ton keinen Unterschied: Er hat in beiden Fällen 440 Hertz. Und doch hören unsere Ohren genau, welches Instrument die Saiten vibrieren lässt. Auf diese Weise entsteht für jeden von uns ein einzigartiger Klang, eine Art vokaler Fingerabdruck, den sich zum Beispiel Polizeiermittler regelmäßig zunutze machen, um Telefonerpresser zu überführen. Warum ich das so ausführlich beschreibe? Unsere Stimme ist nicht nur Ausdruck unserer Persönlichkeit. Sie prägt sie auch.
    Frauen finden auch Männer mit hohen Stimmen attraktiv – vorausgesetzt, die Sprachmelodie stimmt, hat die Frankfurter Phonetikerin Vivien Zuta festgestellt, als sie für ihre Magisterarbeit 15 Frauen sechs Männerstimmen bewerten ließ. Über 80 Prozent der Probandinnen fanden den Sprecher mit der höchsten Stimme und einer Frequenz von 134 Hertz »eindeutig attraktiv«. Verblüffender aber war, dass ihre Annahmen über dessen Aussehen der Wirklichkeit nahe kamen. So vermuteten 70 Prozent der Frauen völlig richtig, dass der Mann grüne Augen habe. Auch der geahnte Kleidungsstil, seine Größe und sein Bildungsgrad stimmten weitgehend mit der Realität überein.
    Mit stockender, unrhythmischer Stimme Gesagtes wirkt bruchstückhaft, der Zuhörer wird zweifeln oder zumindest irritiert bleiben. Wer dagegen näselt, wirkt arrogant, empfindlich. Eine pathetische Sprechweise wiederum verursacht das Gefühl, der Redner sei unehrlich. Und wer mit scharfer Stimme spricht, erntet zwar Aufmerksamkeit, wird von seinem Publikum aber auch als kalt und aggressiv eingestuft. Egal, wie wir sprechen – zu atemlos oder zu langsam, zu laut oder zu leise, zu hart oder zu undeutlich –, diese Zwischentöne provozieren nicht nur bei Chefs, Kunden und Kollegen Reaktionen, sie legen uns zum Teil auch auf eine Rolle fest. Die junge, engagierte Kollegin wird womöglich nur deshalb immer wieder übersehen, überhört, unterbrochen, weil ihre Stimme piepsig klingt und damit bei allen Stereotype wie »unsicher«, »unsachlich« oder »inkompetent« auslöst. Weil sie das spürt, wird sie erst recht unsicher, wodurch sich die anderen in ihrer Einschätzung bestätigt sehen. Ein Kreislauf nach unten entsteht. Besagte Mitarbeiterin könnte nun versuchen, ihr Verhalten, ihre Körpersprache und Mimik zu verbessern. Sprachwissenschaftler glauben jedoch inzwischen, dass sich der Imageerfolg schneller einstellt, wenn die Betroffene zuerst an ihrer Stimme arbeitet. Spräche sie etwa fester und sonorer, nähmen die Kollegen mehrheitlich an, sie sei souverän und kompetent – und behandelten sie entsprechend. Die Hamburger Diplomsprecherin und Rhetoriktrainerin Isabel García hat mir dazu einmal eine Geschichte aus ihren Seminaren erzählt:

    »Ich habe immer wieder Teilnehmer, die klagen: Ich habe in dem Meeting etwas gesagt, aber niemand hat es gehört und niemand ist darauf eingegangen. Als dann zehn Minuten später ein Kollege genau dasselbe gesagt hat, meinten alle: Wow, geniale Idee! Daraufhin werde ich gefragt, woran das liegen könnte. Und meist liegt es daran, dass derjenige seinen Vorschlag wie eine Frage betont hat. Und das wird in einer großen Diskussionsrunde so gut wie nie ernst genommen. Wenn wir eine Aussage – durch die Betonung – wie eine Frage formulieren, dann wirkt die Aussage nicht überzeugend. Es ist so, als stelle man sich selbst in Frage.«

    Der Ton macht eben nicht nur die Musik – er verändert auch das Verhalten. Bestätigt wird das durch Studien der Sprechwissenschaftlerin Edith Slembek von der Universität Lausanne. Sie fand heraus, dass viele erfolgreiche Frauen in leitenden Positionen ihre Stimmlage nahezu automatisch derjenigen von Männern anpassen. Jedenfalls die erfolgreichen. Wobei sie deswegen nicht gleich brummen müssen. Denn ob uns eine Stimme berührt und überzeugt, liegt auch an der
Indifferenzlage
. Das ist jener persönliche Grundton, um den jeder individuell, aber regelmäßig herumredet. Finden kann man diese mittlere Sprechlage, indem man an ein gutes Essen denkt und ein wohliges »Mmmh« summt. Beim Sprechen zirkuliert die Stimme normalerweise bis zu einer Quinte um diesen Ton. Erst wer diesen Bereich dauerhaft verlässt, riskiert seine Überzeugungskraft.
    Nun haben manche das Glück, von der Natur mit einer sympathischen Stimme bedacht worden zu sein. Alle anderen aber können zumindest

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