Die Burg Der Abenteuer
bißchen hinter uns her spioniert?« fragte Jack. »Kennst du diesen Berg gut?«
Tassie nickte. Ihre blanken, schwarzen Augen ließen Kiki nicht los. Sie schien ganz verzaubert von dem Papagei zu sein.
»Weg ist das Wiesel«, sprach Kiki sie feierlich an. »Öffne dein Buch auf Seite sechs!«
»Hör mal, weißt du vielleicht, ob die Adler auf diesem Berg horsten?« fragte Jack plötzlich. Er dachte, es könnte wohl sein, daß dieses kleine, wilde Mädchen so etwas wußte.
Aber Tassie fragte nur: »Was ist ein Adler?«
»Ein sehr großer Vogel mit einem gebogenen Schnabel.«
»So wie deiner?« fragte Tassie und zeigte auf Kiki.
»Aber nein!« rief Jack ganz entrüstet. Wenn das Mädchen nicht mal einen Adler kannte, würde sie auch nicht wissen, wo sein Nest war.
»Es ist Zeit, nach Hause zu gehen«, erinnerte Philipp.
»Tassie, führe uns auf dem kürzesten Weg zurück!«
Ohne ein Wort zu erwidern, wandte sich Tassie um und kletterte rasch und geschickt wie eine Ziege den Berg hinab. Die andern folgten. Das Mädchen hatte einen Richtweg eingeschlagen, und nach kurzer Zeit standen die Kinder plötzlich ganz erstaunt vor Haus Quellenhof.
»Vielen Dank, Tassie!« sagte Philipp, und sofort krähte Kiki ebenfalls: »Vielen Dank, Tassie!«
Das Mädchen lächelte, und ihr düsteres Gesicht hellte sich auf. »Ich werde wiederkommen«, sagte sie und lief davon.
»Wohnst du wirklich in der alten Hütte dort hinten auf dem Berg?« rief Jack hinter ihr her.
»Ja, ja, so ist's«, rief sie zurück. Und schon war sie im Gebüsch verschwunden.
Tassie und Schnäuzchen
Der Berg war wirklich recht einsam. Außer dem Häuschen, in dem Frau Mannering und die Kinder wohnten, befand sich dort nur noch Tassies verfallene Hütte und weiter entfernt eine Ansiedlung, die Quellenhof mit Milch und Eiern versorgte. Dennoch war der große Berg voller Leben, denn es wimmelte dort von unzähligen Vögeln und vielerlei andren Tieren. In den Bäumen spielten Eich-hörnchen, überall hoppelten Kaninchen umher, und rote Füchse schlichen durch den Wald und schienen sich nicht im mindesten vor den Kindern zu fürchten.
»Ach, ich möchte zu gern einen jungen Fuchs haben!«
sagte Philipp sehnsüchtig. »Das habe ich mir schon immer gewünscht. So ein kleiner Fuchs ist genau wie ein junger Hund.«
Tassie war dabei, als er das sagte. Sie gesellte sich jetzt oft zu den Kindern und war ganz unentbehrlich geworden, weil sie stets den Weg nach Hause fand. Man konnte sich auf dem großen Berg leicht verirren. Aber Tassie führte die Kinder immer auf dem kürzesten Weg zurück.
Die kleine Zigeunerin war ein sonderbares Mädchen.
Manchmal wollte sie durchaus nicht näher kommen, sondern starrte Kiki nur aus einiger Entfernung wie gebannt an. Dann wieder ging sie dicht neben den anderen Kindern her und hörte ihnen zu. Aber sie selbst sagte niemals viel.
Mit Neid und Bewunderung betrachtete sie die einfa-chen Kleider der beiden Mädchen und befühlte manchmal den Stoff zwischen den Fingern. Sie selbst trug stets dasselbe zerfetzte Kleid, das so aussah, als ob es aus einem schmutzigen Sack gemacht worden wäre. Das krause Haar hing ihr wirr um den Kopf, und sie war immer schmutzig.
»Ich habe ja nichts dagegen, daß sie schmutzig ist«, sagte Lucy zu Dina. »Aber manchmal riecht sie nicht gut.
Ich glaube, baden tut sie überhaupt nicht.«
»Wahrscheinlich hat sie in ihrem ganzen Leben noch keine Badewanne gesehen«, sagte Dina. »Und trotzdem sieht sie so gesund aus, nicht wahr? Hast du schon mal jemand gesehen, der so blanke Augen und so rote Bak-ken hat? Und die weißen Zähne! Dabei putzt sie sie bestimmt nicht.«
Es stellte sich heraus, daß Tassie wirklich nicht wußte, wie eine Badewanne aussieht. Die Mädchen nahmen sie mit in ihr Häuschen und zeigten ihr die große Zinkbade-wanne, die sie benutzten. Dinas Mutter sah das wilde, kleine Mädchen erstaunt an.
»Was ist denn das für ein schmutziges, kleines Ding?«
fragte sie Lucy leise. »Sie müßte einmal baden.«
Lucy hatte erwartet, daß Frau Mannering so etwas sagen würde. Mütter hielten sehr viel von Reinlichkeit. Aber als Dina Tassie erklärte, wie man badete, bekam die kleine Zigeunerin einen furchtbaren Schreck. Der Gedanke, sich lang in das Wasser zu legen, entsetzte sie geradezu.
»Hör mal zu«, sagte Frau Mannering entschlossen,
»Wenn du dich von mir baden und schrubben läßt, werde ich dir ein altes Kleid von Dina und außerdem noch ein Band für das Haar
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