Die Burg der flammenden Herzen
diese Eile? Weil sie das Wagnis unternehmen wollte, bevor ihr Mut sie verließ. Ihre Ungeduld steckte die Zofe an, die sich beeilte, ihre Herrin so auszustatten, wie es sich für ihren Stand ziemte. Schneller als Beatrice dies für möglich gehalten hätte, war sie angekleidet.
“Dank dir, Nan!” sagte sie und betrachtete sich in dem kleinen silbernen Spiegel, den die Zofe ihr hinhielt.
Nan errötete. “Soll ich Euch begleiten?”
Und ihre Frage und Sebastians Antwort hören? Unter keinen Umständen! “Ich gehe lieber allein. Leiste mir Gesellschaft, wenn ich zurückkomme.”
“Ja, Mylady.”
Als Beatrice den Gang vor ihrer Kammer betrat, schlug ihr das Herz bis zum Hals, ihre Ohren schienen zu glühen, und der Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen. Sie hatte sowohl die Messe als auch die Frühmahlzeit verpasst und konnte daraus nun keine Kraft schöpfen.
Das hat Zeit. Verschieb es auf heute Abend,
murmelten Furcht und Zweifel tief in ihrem Innern.
Sie ging zwei Schritte und blieb stehen.
Wenn du es jetzt nicht unternimmst, wirst du es nie mehr tun.
Die Stimme gehörte Cecilia, ihr Tonfall war freundlich. Eine Woge der Sehnsucht nach ihrer Schwester erfasste sie, gefolgt von aufflammendem Mut.
Wenn Ceci es tun kann, dann kann ich es auch.
Mit dem neu gefassten Entschluss eilte sie durch die Burg zu Sebastians Gemach. Ihre Röcke schwangen wie eine Glocke gegen ihre Knöchel, denn sie lief so schnell, als wolle sie die Feigheit weit hinter sich lassen. Sie verlangsamte die Schritte erst, als sie Sebastians Tür erreichte. Ihr Mut erlosch. Die Tür stand halb offen, und sie vernahm eine männliche Stimme, die ihr unbekannt war und die sie nicht deutlich verstehen konnte.
Einen Augenblick lang wollte sie nichts lieber als fliehen. Dieser Wunsch ängstigte sie, doch sie rang nach Fassung, machte drei Schritte bis zur Tür und blieb stehen.
Sie hörte Sebastian. “Belassen wir es dabei, Onkel.” Er klang verärgert, als habe der andere Mann eine Frage gestellt, die er nicht beantworten wollte. Sein Tonfall zog sie noch näher an die Tür heran.
Die andere Stimme sagte: “Liebst du deine Frau?”
Tief in ihrem Innern wisperte eine kleine Stimme:
Sag Ja,
und ihr Herz stand vor Anspannung einen Augenblick still.
“Nein”, sagte Sebastian. “Ich liebe sie nicht.”
Ihr Herz begann wieder zu schlagen. Doch es schlug unregelmäßig, und als sie Luft holte und wieder daran dachte zu atmen, verspürte sie einen Schmerz, als hätte man ihr einen Stich versetzt. Sie hatte sich keine Hoffnungen gemacht und war sich sicher gewesen, die Wahrheit zu kennen – warum tat es dann so weh, die Worte zu hören?
Schnell drehte sie sich um und eilte blind durch den Gang, der zur Treppe führte.
Als sie die sichere Zuflucht ihrer Kammer erreichte, hatte sie den schlimmsten Schmerz bewältigt, aber es war ihr schwer ums Herz. Sie wagte nicht zu denken, als ob dadurch eine schmerzhafte Wunde wieder aufgerissen würde.
Nan schien sie zu erwarten und stand neben dem Bett. Sie wirkte angespannt. “Mylady, Sir George Conyers wünscht, Euch zu sehen.”
Wie bitte?
Für einen Moment verstand sie die Bedeutung der Worte nicht, die sie soeben vernommen hatte, als ob die Zofe in einer fremden Sprache zu ihr gesprochen hätte. Doch dann begriff sie, und ein Entsetzen befiel sie, das ihren großen Kummer überlagerte.
Bei allen Heiligen! George war hier? Was für Unheil drohte ihr noch an diesem Tag? Sie hatte nicht die Kraft, ihm zu begegnen, doch sie musste diese Kraft aufbringen. Da seine Hartnäckigkeit schon in seinen Briefen offenkundig geworden war, würde er nur von ihr ablassen, wenn sie darauf bestand. Oder Sebastian. Der Gedanke ließ sie erschaudern; das Frösteln machte ihren Kopf frei und betäubte ihr Herz.
“Wo ist er, Nan?”
“Er wartet unten in der Halle, Mylady.”
“Geh zu ihm und bitte ihn, im Garten auf mich zu warten.”
“Ja, Mylady.”
Während sie auf Nans Rückkehr wartete, schritt Beatrice unruhig und mit raschelnden Röcken in ihrem Gemach auf und ab. Die Gedanken kreisten in ihrem Kopf, und eine ängstliche Stimme rief:
Warum ist er hier? Geh fort.
Allzu rasch kehrte die Zofe zurück. Obwohl die Neugierde in ihren Augen unübersehbar war, war sie klug genug, keine Fragen zu stellen. “Es ist so, wie Ihr es wünscht, Mylady.”
“Sehr gut.”
Das feine Gewand, das sie für Sebastians Augen angelegt hatte, verhöhnte sie nun, denn sie war zu hübsch gekleidet für einen Mann,
Weitere Kostenlose Bücher