Die Burg der flammenden Herzen
erleiden.”
“Glaubst du, ich werde dir wehtun?”
“Das hast du bereits!” rief sie und brach in Tränen aus. Sie kehrte sich von ihm ab und stolperte auf die andere Seite des Raumes. Wie ein Schössling, der vom Unwetter heimgesucht wird, zitterte sie unter dem Ansturm ihrer Tränen. Ihr Schluchzen hallte in der leeren Turmstube wider.
Sebastian durchquerte den Raum und legte seine Hände auf ihre bebenden Schultern. Sie entzog sich seinem Griff und entfernte sich von ihm. Der harsche Klang ihres Weinens schmerzte ihn, und er fragte sich, ob er bleiben oder gehen sollte; vielleicht schadete er seiner Sache eher, wenn er bliebe. Doch die Frage war nutzlos; er konnte sie so nicht zurücklassen. Langsam und behutsam berührte er erneut ihre Schultern. Minuten vergingen, in denen sie ihrem Kummer freien Lauf ließ, bis ihr Schluchzen schließlich abebbte und von Seufzern unterbrochen wurde, die einem heftigen Schluckauf glichen. Sie schien Sebastian keinerlei Beachtung zu schenken, als ob er gar nicht anwesend wäre.
“Womit habe ich dich verletzt, Bea?” wollte er wissen. “Sag es mir.”
Abwehrend schüttelte sie den Kopf. “Ich kann nicht”, brachte sie mit gepresster Stimme hervor.
“Kannst du es nicht, oder willst du es nicht?” fragte er bewusst vorsichtig. Denn Zorn würde sie unweigerlich zu ausweichenden Antworten treiben oder sie gar ganz verstummen lassen. Vielleicht könnte sanfte Zuwendung ihr die Wahrheit entlocken.
Sie drehte sich ihm zu. Die Tränen hatten ihre Lider anschwellen lassen, ihre Nase war gerötet und glänzte. “Ist das von Bedeutung?” sagte sie. “Was ich auch immer für Gründe haben mag, dir widerstrebt mein Schweigen.”
“Fürwahr. Kannst du mir denn nicht vertrauen? Müssen wir denn immerzu fortfahren mit diesem Spiel des Zweifelns und des Misstrauens?”
“Aber ich bin nicht die Einzige, die dieses Spiel weiterführt, Sebastian. Zweifelst du nicht an mir? Misstraust du mir etwa nicht?”
Wie sollte er frei von Zweifeln sein, wenn sie ihn verraten hatte und Manners untreu geworden war?
“Du kannst mir nicht antworten, oder etwa doch?” sagte sie. “Du kannst es auch nicht leugnen. Was soll nur aus uns werden, wenn wir uns ständig voller Argwohn begegnen?”
Sie hatte Recht. Irgendwie mussten sie sich von dieser unsichtbaren Last befreien. “Haben wir uns nicht darauf geeinigt, Frieden zu schließen?”
“Das haben wir.”
“Kannst du mir auch in diesem Punkt kein Vertrauen entgegenbringen?”
“Du bist nicht der Einzige, dem ich misstraue.”
Er zog die Stirn in Falten, da er nicht wusste, was sie meinte. “Ich verstehe nicht.”
“Ich kann mir selbst nicht vertrauen”, erwiderte sie. “Wie sollte ich, wenn ich mich von George Conyers wie eine gewöhnliche Dirne behandeln ließ, nur weil ich mich in meinem Stolz verletzt sah? Ich bin eine Närrin, Sebastian – ich besitze nicht mehr Verstand als ein Huhn. Damals hielt ich es nicht für nötig, die Verhaltensregeln zu befolgen, die meine Mutter für ihre sittsamen Töchter festgesetzt hatte. Ich wusste, dass ich schön war, und deswegen ging ich stets davon aus, mir würde kein Leid widerfahren. Aber ich habe mich geirrt, so sehr geirrt.” Sie hielt den Atem an, und eine widerspenstige Locke fiel in ihre Stirn. “Ich habe mich in allen Belangen geirrt. Wie soll zwischen uns Einvernehmen herrschen, wenn ich immerzu befürchten muss, dass du mir wehtun wirst?”
Er vermochte ihren verworrenen Gedankensprüngen nicht zu folgen, doch er konnte ihr zumindest eine Antwort geben. “Ich würde dich niemals schlagen, solange du keine Zurechtweisung verdienst”, sagte er.
“Das weiß ich. Aber ist dir gar nicht bewusst, dass es nicht allein die Fäuste sind, die schmerzen?”
“Habe ich dir je wehgetan?”
“Ja!”
“Wie? Wann?”
“Du hast mir das Herz gebrochen.”
“Und du hast mir das Herz gebrochen. Wie steht es damit?”
Fassungslos starrte sie ihn an. “Wann habe ich dir das Herz gebrochen?”
“Als du dein Wort nicht gehalten hast und dich mit Manners vermähltest.” Er atmete tief durch, um den Zorn zu bezwingen, der wieder so stark in ihm aufstieg, als habe man ihm den alten Schmerz soeben zugefügt. “Hast du je beabsichtigt, dein Versprechen mir gegenüber zu halten?”
“Ich?” rief sie aus. Ihre Tränen und ihr Kummer waren verschwunden, und ihre Stimme klang jetzt leise und erbost. “Und was ist mit dir? Wenn du dein Versprechen eingelöst und Anspruch auf
Weitere Kostenlose Bücher