Die Burg der flammenden Herzen
zurückhalten.”
“Wir haben uns geeinigt, uns erst am Abend wieder zu treffen”, wisperte sie. “Und das war klug. Aber ich musste dich sehen.”
Sanft strich er ihr mit den Fingern über die Wange, eine Liebkosung, die sie zu lieben begann. “Wenn du nicht zu mir gekommen wärst, wäre ich zu dir gekommen.”
Nur unter Aufbietung ihrer Willenskraft brachte sie es fertig, ihrem Verlangen Einhalt zu gebieten. Sie holte tief Luft und trat einen Schritt zurück, um sich selbst nicht länger der Versuchung auszusetzen. Sie war indes nicht in der Lage zu gehen und ihn stehen zu lassen. “Wenn wir schon zusammen sind, müssen wir Acht geben”, sagte sie. “Ich will mir selbst keine Schande bereiten.”
“Ich mir auch nicht”, erwiderte er mit einem Seufzer. “Nun gut, ich werde eine Armeslänge Abstand zu dir halten.”
Sie ging auf dem Pfad voraus und horchte auf seine Schritte. Als sie nichts vernahm, drehte sie sich um. Er stand dort, wo sie ihn verlassen hatte, und runzelte die Stirn.
“Was ist?” rief sie.
Er schüttelte den Kopf. “Ich möchte hier nicht spazieren gehen.” Er sah sie an, und seine Stirn glättete sich wieder. “Komm mit mir zum Teich.”
Unschlüssig sah sie ihn an, denn sie machte sich bewusst, dass ein abgelegener Ort ohne wachsame Augen zu verführerischen Handlungen einlud, die sich nicht schickten. Bei diesem Gedanken prickelte ihre Haut vor Hitze, und ein kleiner Dämon wisperte:
Ist das nicht genau der Grund, ihm zu folgen?
“Ja”, sagte sie.
Gemeinsam gingen sie durch den Torbogen, ließen die Burg hinter sich und betrachteten einen Augenblick die Welt, die vor ihnen lag. Obgleich der Teich in ihrer Jugendzeit ein beliebter Treffpunkt gewesen war, war Beatrice niemals in Begleitung von Sebastian dort hingegangen. Eine mahnende Stimme wisperte ihr zu, dass es sich nicht schickte, die Burg ohne Zofen zu verlassen. Doch Beatrice brachte die Stimme zum Schweigen, denn sie war nicht länger das unverheiratete Mädchen, das peinlich genau auf ihre Ehre Acht zu geben hatte. In den Augen der Welt war sie eine Witwe, eine Frau, der man einen gewissen Freiraum zugestand. Noch wichtiger aber war die Tatsache, dass sie in Begleitung eines Mannes ging, der praktisch ihr Gemahl war.
Beim Teich breitete er sein Wams auf dem Boden aus, damit sie sich setzen konnte. Als sie es sich bequem gemacht hatte, legte er sich neben sie ins Gras, schob die Hände unter den Kopf und schlug die ausgestreckten Beine übereinander. Sie war überrascht, dass er sie nicht anfasste, denn in einem Winkel ihres Herzens hatte sie sich bereits ausgemalt, wie er sie gleich nach der Ankunft am Teich verführen würde. Offenbar hielt er sich an ihre Mahnung, Acht zu geben, obwohl niemand sehen konnte, was sie am Teich taten.
Trotz ihres Verlangens war sie froh, dass er nicht versucht hatte, hier bei ihr zu liegen. Immerhin hatte sie ihn gewarnt, sie ließe sich nicht wie eine Gänsemagd ins Gras drücken. Vielleicht hielt auch das Versprechen Sebastian fern. Was auch immer der Grund für seine Zurückhaltung sein mochte, sie konnte nicht dagegen ankämpfen, denn er gewährte ihr die Sicherheit, um die sie gebeten hatte. Daher wollte sie die friedvolle Zeit mit ihm genießen, so gut es ging.
Sie rutschte näher an den Baum heran, bis sie den Rücken an den Stamm lehnen konnte, und suchte sich einen behaglichen Platz zwischen all den Wurzeln. Sebastian rührte sich nicht. Mit geschlossenen Augen lag er neben ihr, und nur seine Brust hob und senkte sich bei seinen langsamen, tiefen Atemzügen. Beatrice lehnte den Kopf an die Rinde und schloss ebenfalls die Augen.
Ihre anderen Sinne regten sich nun, als sie die Lider geschlossen hatte. Einige Schritte entfernt plätscherte das Wasser am Flussufer. Über ihr sangen und riefen Vögel; ein Stimmengewirr, das sich über das kaum wahrnehmbare Rascheln der Blätter legte. Eine leichte Brise strich über ihr Gesicht und brachte den lieblichen Geruch des Flusses und seiner Pflanzen mit sich. Ihr Atem wurde langsamer, ihr Herz kam zur Ruhe; sie entsann sich des himmlischen Friedens, den sie vor vierzehn Tagen genau an dieser Stelle gefunden hatte. Nun kehrte er in ihr Herz zurück, ungleich stärker als zuvor, nicht nur, weil Sebastian neben ihr wohl eingeschlummert war.
Wie war das möglich? Träumte sie? Oder waren die langen, kummervollen Jahre mit Thomas nur ein Traum gewesen? Es tat nichts zu Sache. Wenn sie träumte, wollte sie um keinen Preis
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