Die Burg der flammenden Herzen
klapperten, und schlüpfte aus dem Bett. Eilig trat sie ans Fenster, als könnte sie Sebastian unten in dem kleinen Hof erblicken.
Sie vermisste ihn, vermisste ihn so sehr, dass sie nachts nicht schlafen konnte und sich immerzu nach seiner Wärme und seiner Leidenschaft gesehnt hatte. Nun war es eine Woche her, seit er fortgeritten war; gewiss hatte sie inzwischen genug Zeit gehabt, um sich an seine Abwesenheit zu gewöhnen. Aber sie verzehrte sich immer noch nach ihm.
Beatrice lehnte sich an die Wand, drückte die Schläfe gegen den Fensterrahmen und starrte versonnen hinaus in die sternenklare Nacht. Vermisste Sebastian sie genauso wie sie ihn? Fand er ebenso wenig Schlaf? Oder hatte er sie bereits kurz nach seinem Aufbruch vergessen?
Sie wusste, dass er sie begehrte; von der Angst, ihn anzuwidern, hatte sie sich befreit. Doch wenn sie geglaubt hatte, diese Gewissheit würde sie beruhigen, so hatte sie sich getäuscht. Nachdem ihr die Leidenschaft seines Leibes vergönnt gewesen war, sehnte sie sich nun nach der Leidenschaft seines Herzens. Sie wollte sicher sein, dass er sie liebte.
Warum?
Weil sie ihn liebte. War diese Liebe neu, oder handelte es sich um ihre Jugendliebe, die zu neuem Leben erwacht war? Machte es einen Unterschied? Gewiss waren die Sehnsucht ihres Herzens, die Furcht, verletzt zu werden, und der Wunsch nach Sebastians Gesellschaft ein und dasselbe Gefühl, ungeachtet des Ursprungs.
Beatrice schloss die Augen und drückte die Stirn gegen die Glasscheibe, die sich hart und kalt anfühlte. Sie wollte Sebastian nicht lieben, denn dies konnte nur Schmerz und Enttäuschung bedeuten. Obgleich er sie nicht länger verachtete und hasste, folgte daraus nicht unweigerlich, dass er sie auch eines Tages liebte.
Sie öffnete die Augen und ging zu dem Betstuhl in der Ecke des Gemachs. Dort kniete sie nieder, faltete die Hände und stellte ihren Geist auf ein Gebet ein. Aber für was sollte sie beten?
Sebastians Liebe?
Es kam einer Gotteslästerung gleich, um etwas zu bitten, das so weltlich, sinnlich und selbstsüchtig war wie die Liebe eines Mannes. Gewiss würde es ihrer Seele nicht gut tun, eine solche Bitte vorzubringen. Falls ihr Sebastians Liebe nicht vergönnt sein sollte, was brauchte sie dann? Was benötigte ihre Seele?
Kraft. Kraft und die Geduld, das zu ertragen, was über sie käme.
Mit gesenktem Haupt begann sie ihr Gebet.
Am Morgen war Beatrice nach wie vor rastlos, und sie hatte das Gefühl, als ob das Fleisch unter der Haut juckte. Während der gesamten Messe zwang sie sich, ruhig zu sein. Sie wollte Sebastian, und sie vermochte ihre Sehnsucht nicht zu lindern, auch wenn sie sich in Erinnerung rief, dass er einen Tagesritt von ihr entfernt war.
Als sie die Kapelle verließ und sich fragte, wie sie es ertragen sollte, den Morgen ruhig stickend in der Kemenate zu verbringen, gesellte sich John zu ihr.
“Was bereitet dir Kummer?” fragte er.
“Nun, John”, entgegnete sie. “Ist das eine Art, mich zu begrüßen?”
“Sei nicht keck. Ich habe dich nicht mehr so unruhig gesehen, seit wir Kinder waren. Was macht dir so zu schaffen?”
Sie seufzte. John war so hartnäckig wie die Flut und genauso unaufhaltsam. “Ich vermisse Sebastian.”
Er kniff die Augen zusammen, als begreife er, was sie meinte – dass nämlich ihr Leib Sebastian vermisste. Sie hielt den Atem an und wartete auf seine Schelte; schlimmer noch, auf seine Fragen. Aber seine Miene hellte sich auf, als ob er in diesem Augenblick alles Nötige erfahren hätte und keine Fragen mehr stellen müsste.
“Was du brauchst, Bea, ist ein langer Ausritt. Komm, lass uns gehen.”
“Ich muss unserer Mutter Gesellschaft leisten”, entgegnete sie, obwohl es das Letzte war, was sie jetzt tun wollte.
“Du würdest lieber mit mir ausreiten, als in der Kemenate sitzen. Ich weiß es.”
Wie oft hatte er sie in der Kindheit dazu gebracht, Unfug zu treiben, indem er ihre geheimsten Wünsche aussprach? Er hätte sogar einen Ritt durch die Hölle vernünftig erscheinen lassen. Und obwohl sie seine Art kannte, vermochte sie ihm nicht zu widerstehen, da er ihre Bedürfnisse durchschaute.
John hatte Recht gehabt; der Ritt auf ihrer flinken, kräftigen Stute über die Felder und Wege von Wednesfield Castle war genau das, was sie gebraucht hatte. Sie und ihr Bruder sprachen nicht miteinander, doch das taten sie ohnehin selten, wenn sie zusammen ausritten. Die Freude an der Bewegung im Wind und der Reiz der schönen und
Weitere Kostenlose Bücher