Die Burg
alt. Das ist die Frau, der es die Füße abgerissen hat. Sie ist die Vorsitzende der Städtepartnerschaft, verheiratet, keine Kinder. Ihr Mann hat einen Getränkegroßhandel, beide wirken klassisch neureich. Hendricks ist eine unangenehme Person, hat ziemlich über die Militia hergezogen. Von wegen alles Proleten, mit denen anständige Menschen nichts zu tun haben wollten. Aber auch bei ihr weit und breit keiner, der ihr nach dem Leben trachten würde. Der Dritte im Bunde ist der Stadtmanager, Sven Jäger, 36 Jahre alt. Ihm hat sich ein Holzpfosten mitten durch den Körper gebohrt. Jäger ist ein bunter Vogel, hat bei einer Eventagentur gearbeitet, sich dann selbständig gemacht und Musikfestivals organisiert. Er ist viel rumgekommen. Bis jetzt scheint er sauber zu sein, aber Jessica ist noch dabei, einige Angaben zu überprüfen. Und schließlich und endlich Jürgen Kolbe, 42 Jahre alt, liegt in Duisburg, ziemlich üble Verbrennungen. Er ist Lehrer für Sport und Englisch am Gymnasium und Vorsitzender vom Sportausschuss im Stadtrat. Ein Langweiler, ein kleiner Gernegroß. Er sitzt in mehreren Vereinen, aber nur auf kleinen Pöstchen, Kassenprüfer, Schriftführer, so etwas. Es scheint so, als stänkere er schon mal gern herum, aber soweit wir herausfinden konnten, hat er noch nie jemandem einen Posten abspenstig gemacht.» Sie klappte ihr Buch zu. «Wenn du mich fragst, von denen sollte keiner umgebracht werden.»
«Gute Arbeit», sagte Toppe, «schnelle Arbeit vor allem.»
«Ein eingespieltes Team eben», antwortete sie und wurde tatsächlich ein wenig rot. «Wir haben uns aufgeteilt und uns zwischendurch immer mal kurzgeschlossen. Gott sei Dank gibt’s Handys.»
Toppe verzog das Gesicht. «Na ja …»
Das Telefon klingelte. «Toppe? … Sagen Sie ihm, ich rufe in zehn Minuten zurück.»
Er legte auf. «Der Landrat», erklärte er.
«Du stehst ganz schön unter Druck», stellte sie mitleidig fest.
«Ach, das geht schon. Die Presse ist am schlimmsten. Die will ständig gefüttert werden, und so langsam gehen mir die flotten Umschreibungen von ‹Wir tappen völlig im Dunkeln› aus.»
Er schob ihr Hornungs Patientenakten hin. «Mir wäre es lieb, wenn du und Jessica diese drei Herren übernehmen könntet.»
«Schwere Kaliber? Lass mal sehen.»
Elf
Ackermann schaute sehnsüchtig aus dem Fenster. Zum ersten Mal seit Wochen schien die Sonne, und er brauchte dringend frische Luft. Seit über vier Stunden saß er jetzt schon über den Fotos, und so langsam flimmerte es ihm vor den Augen.
Als Erstes hatte er eine Liste mit den Namen der Bekannten angelegt, die er am Sonntag an der Burg gesehen hatte, und dann die Fotos nach weiteren bekannten Gesichtern durchforstet. Mit einer ganzen Reihe von diesen Leuten hatte er telefoniert, und fast alle hatten ihm weitere Namen nennen können. Jetzt stand eine Menge Beinarbeit an, und er musste die lieben Mitbürger dazu bringen, sich Berge von Fotos anzuschauen. Tja, irgendwie würde er das schon hinkriegen.
Er nahm die Brille ab und rieb sich die Augen. Immerhin, 187 Namen hatte er schon auf seiner Liste, nicht schlecht für den Anfang. Von wegen unmöglich, Bernie, mein Freund!
Anhand der Hintergründe auf den Fotos hatte er eine Skizze gemacht, wo welche Zuschauergruppen gestanden hatten, und entsprechende Stapel angelegt, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass er noch mehr System reinbringen musste. Aber Systematik war nicht seine Stärke, da machte er sich nichts vor. Das war eher etwas für Peter, er würde ihn später fragen.
Auf jeden Fall war er die Drogenleute losgeworden, der Herr sei gepriesen. Norbert hatte sich nicht beschwert, ihm war es offenbar egal, wie er seine Zeit rumbrachte. So ganz bei sich war der nicht gewesen. Er selbst hatte damals, als sie das erste Kind gekriegt hatten, ganz bestimmt nicht so neben sich gestanden. Aber na ja, er war ja auch erst Mitte zwanzig gewesen, da wusste man noch nicht so viel. Er hätte gern noch mehr Kinder gehabt. Erst vor drei, vier Jahren, als die 50 langsam auf ihn zugekommen war, hatte er noch einmal darüber nachgedacht. Aber seine Frau hatte ihm gehörig den Kopf gewaschen: «Ein Kind, nur damit du dir wieder jung vorkommst? Nix da!» Also hieß es auf Enkel warten. Aber das konnte dauern, seine drei Töchter hatten noch eine Menge vor, ehe sie in Familie machen wollten. Und das war ja auch richtig und gut so – obwohl, manchmal kam es anders, als man dachte.
Jetzt musste er erst mal für ein,
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