Die Burg
Stecken hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als den Mann zu observieren. Eine leichte Übung – wenn man zu zweit oder zu dritt war.
«Ich fühl mich, als hätt’ ich ’n Marathon hinter mir», sagte Ackermann, als sie am Präsidium ankamen.
«Geht mir genauso», sagte Astrid.
Toppe schwieg. Keine Bombe, kein Scharfschütze – die Beerdigung war ohne einen einzigen Zwischenfall verlaufen, aber die Anspannung war noch nicht von ihm abgefallen.
Im großen Besprechungsraum ging es zu wie in einem Bienenstock. Noch mehr Stellwände waren hinzugekommen, und jede einzelne war über und über mit nummerierten Fotografien bedeckt. Mehrere Kollegen gingen herum und vervollständigten Listen.
Sie entdeckten Peter Cox, der sie heranwinkte. «Alles gutgegangen, habe ich gehört», begrüßte er sie und legte Ackermann die Hand auf die Schulter. «Ich habe eigentlich nicht daran geglaubt, aber deine Fotoaktion scheint zu klappen. Inzwischen sind auch die Krefelder in der Stadt mit Abzügen unterwegs, und die Liste der Zuschauer wird immer vollständiger.»
«Sag ich doch», schnurrte Ackermann und rieb sich die Hände. «Dann stürz ich mich auch ma’ wieder in ’t Getümmel un’ verschaff mir ’n Überblick. Wat is’ dat denn da?», fragte er aufgeregt und zeigte auf eine Tafel mit Aufnahmen, auf denen einzelne Gesichter schwarz umkreist waren.
«Nur so eine Idee von mir», antwortete Cox. «Auf diesen Fotos sind Zuschauergruppen, bei denen die Leute sich alle untereinander kennen, nur eine oder zwei, manchmal auch drei Personen konnten von keinem der Leute identifiziert werden.»
Toppe warf einen kurzen Blick darauf und straffte die Schultern. «Wahrscheinlich kommt nichts dabei heraus, aber ich muss mir trotzdem die Videos der Überwachungskameras am Friedhof anschauen.»
«Ich komme mit.» Astrid hakte sich bei ihm ein.
Sie hatten gerade das zweite Band eingelegt, als das Telefon sie wieder einmal störte. Toppe schlug die Augen gen Himmel. «Ja, Peter, was gibt’s?»
«Kommt mal runter. Jupp hat was entdeckt.»
Ackermann saß am Tisch und hatte eine Reihe Fotos vor sich ausgebreitet. Seine Haare standen ihm in alle Richtungen vom Kopf ab.
«Ich begreif selbs’ nich’, dat ich dat die ganze Zeit übersehen hab», sagte er zerknirscht, aber seine Augen blitzten.
Astrid und Toppe beugten sich über seine Schulter, und er tippte mit dem Finger auf das erste Foto. «Dat Bild hier kennst du doch, Helmut. Dat hast du mir gezeigt, als du wissen wolltes’, wer die Leute auffer Tribüne sind. Un’ weißt du noch? Ich hab mich da schon gewundert, wat der Kolbe, diese Pfeife vom Sportausschuss, da oben verloren hatte. Jetz’ passt ma’ auf. Nehmen wir ma’ an, die Zeiten von den Digitalkameras stimmen so einigermaßen. Dann is’ dat Foto um 14.55 Uhr geknipst worden, dat heißt, bloß ’n paar Sekunden bevor die Bombe hochging, allerhöchstens eine Minute.» Er schaute hoch, Toppe nickte. «Un’ jetz’ guckt euch dat andere Bild hier ma’ an: dieselben Leute, aber kein Kolbe! Für den steht da ein anderer, der Kerl hier mit dem Schnäuzer. Un’ die Uhrzeit: 14.54 Uhr! Peter un’ ich haben dann noch mehr Fotos vonne Ehrengäste gefunden. Hier, guckt selber: 14.36 Uhr, 14.40 Uhr, 14.48 Uhr – aber überall ist dieser Typ drauf.»
Astrid nahm die Fotos in die Hand. Irgendwo hatte sie den Mann schon einmal gesehen, aber sie konnte sich nicht erinnern, wann und wo das gewesen war. Am Sonntag war er ihr jedenfalls nicht aufgefallen.
«Mir ist schon klar, worauf du hinauswillst», sagte sie. «Dieser Mensch hier könnte das eigentliche Ziel des Anschlags sein. Nur, wenn der Attentäter vor Ort war, dann muss er doch gesehen haben, dass der Mann nicht mehr auf dem Podest stand.»
«Nicht unbedingt», wandte Cox ein, der bisher nur ruhig dagestanden hatte. «Vielleicht war er zu weit weg, oder irgendwas hat ihn abgelenkt. Der Wechsel ist ja anscheinend innerhalb von nur einer Minute oder weniger erfolgt.»
«Seh ich genauso», nickte Ackermann. «Dat ging hopplahopp. Un’ dat würd’ auch die Sache mit dem ausgekippten Bier erklären. Wir haben doch gesehen, dat der Sven Jäger angerempelt worden is’. Dat muss passiert sein, wie der Schnäuzer runter vonne Bühne is’ un’ der Kolbe raufkam.»
«Und wer ist dieser Mann?», fragte Toppe.
«Du kanns’ mich erschlagen, aber ich weiß et nich’.» Ackermann mochte es selbst kaum glauben.
«Der Stadtmanager», begann Toppe, aber
Weitere Kostenlose Bücher