Die Buße - Gardiner, M: Buße - The Liar's Lullaby
Nachricht. Los.
Darunter stand die Adresse. Chennault spürte ein Prickeln.
Tasia hatte von der Kanzlei Waymire & Fong Briefe bekommen. Ihre Schwester arbeitete dort. Am Anfang hatte er diese Briefe durchstöbert, in der Hoffnung, nützliche Informationen auszugraben.
Beiläufig löste er sich aus der Schlange und ging hinaus. Wenn ihn jemand bemerkt und einen Blick auf sein Gesicht, seine Kleider erhascht hatte, würde er es in seiner Freude darüber, einen halben Meter vorrücken zu können, gleich wieder vergessen. Schafe. Garantiert war niemandem die blaue Manschette über seinem linken Handgelenk aufgefallen. In der ausgeleierten Windjacke war sie praktisch unsichtbar.
Den erfrischenden Wind im Gesicht, lief er in Richtung Sacramento Street. Mit seiner guten Hand schrieb er Ivory eine Nachricht. Waymire & Fong. Vienna Hicks.
Er unterschrieb mit Paine. Ace Chennault war ein Ghostwriter und ein Geist. Paine war die Revolution, ihre Seele und ihre Lunte.
Er beschleunigte den Schritt. Ursprünglich hatte er sich das alles ganz anders vorgestellt. Aber er musste mit dem Scheitern von Plan A leben und das Beste daraus machen.
Tasia war Plan A gewesen. Und ihr Tod musste als Opfer betrachtet werden. Die Schafe, die Talkradio hörten, Edie Wilson guckten und den hyberbolischen Nektar auf Recharging Liberty schlürften, dachten, dass Tasias Tod ein politischer Mord war.
Und auf eine ganz verdrehte Weise war er das auch. Die Gläubigen sahen Tasias Tod als Kreuzigung. Für sie war Tasia eine Märtyrerin. Aber Tasia war nicht Christus gewesen, sondern Judas.
Die Verschwörungstheoretiker waren überzeugt, dass Tasia gestorben war, weil sie zu viel über die Regierung McFarland wusste. Aber in Wirklichkeit war sie gestorben, weil sie zu viel über die Pläne von Leuten wusste, die die Regierung McFarland zu Fall bringen wollten.
Und heute waren die Treuesten der Treuen unter den Wahren Amerikanern bereit, auf Paines Befehl hin die Festung der ReGIERung zu stürmen. Er atmete tief ein. Macht war ein gutes Gefühl.
Er stemmte sich gegen den Wind und setzte die freundliche Clownsmaske auf, die Ace Chennault ausmachte. Mit diesem Gesicht hatte er die Menschen dazu gebracht, die Policen der von ihm vertretenen Versicherungsgesellschaften zu unterschreiben. Mit dieser umgänglichen Miene sicherte er sich Aufträge von Nachrichtenagenturen und Musikzeitschriften.
Mit dieser freudigen Fanvisage hatte er Tasia dazu überredet, ihn als Musikjournalisten und schließlich sogar als Ghostwriter zu engagieren.
Und er war ein verdammt guter Autor. Er konnte eine seriöse Karriere mit vielen Veröffentlichungen vorweisen. Doch Worte konnten niemals die Durchschlagskraft seiner politischen Aktionskunst erreichen. Bei seinen letzten Aufträgen hatte er sich zu stillen Meisterwerken aufgeschwungen. Das Handy des Bundesrichters, in das er sich gehackt hatte, um Texte und Fotos von minderjährigen Nutten einzuschmuggeln. Das führte dazu, dass die Anklage wegen internationalen Waffenschmuggels gegen ein Rüstungsunternehmen fallengelassen wurde. Das Verschicken von Zeitungsausschnitten an einen allzu neugierigen Journalisten, dessen kleiner Sohn wegen Leukämie behandelt wurde - Geschichten über tragische Fälle, in denen falsch verabreichte Medikamente geschwächte Krankenhauspatienten getötet hatten. Das überzeugte den Presseheini, seine Nachforschungen über Verbindungen zwischen einer fundamentalistischen Megakirche und paramilitärischen Organisationen in Mittelamerika einzustellen.
Subtilität hatte ihre Vorzüge.
Aber sie diente vor allem dazu, das eigene Bankkonto aufzustocken. Politische Gewalt war Poesie, und Chennault war vielleicht der reichste Poet Amerikas, weil seine Arbeit üppige Dividenden abwarf. Mit diesem Geld beabsichtigte er, seine Flucht in sonnigere Gefilde zu finanzieren, wo er nach dem heutigen Tag bestimmt zehn Jahre untertauchen musste.
Angst perlte in seinem Bauch. Er wollte ins Ausland gehen, wie es Thomas Paine getan hatte. Dort würde er Zuflucht
suchen, während die Patrioten des Wahren Amerika die Nation säuberten und erneuerten.
Aber er war kein Feigling. Heute war nicht der Tag der Subtilität. Er hatte es bei Tasia versucht, hatte vierzehn lange Monate hart gearbeitet, nur um zu erleben, wie sie vor der hypnotischen Kraft des Usurpators einknickte.
Plan A war fehlgeschlagen. Und wenn heute auch Plan B scheiterte, konnten ihn weder seine Vorsichtsmaßnahmen noch seine
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