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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Rodolfo, ein Freund von Vicente Latorre, aus der Firma erzählt hat, bei der er arbeitet, kann als Stimmungsbarometer gelten. Seine Firma hat ihr Personal auf ganz besondere Weise ausgewählt, alle Arbeiter sind empfohlen von Pfarrern, Militärs, Freunden des Unternehmers. Rodolfo hat den Geschäftsführer mehr als einmal sagen hören, dass er sich seiner Leute sicher ist, dass es bei ihm keinen Streik geben wird. Gestern traten Vertreter der Belegschaft mit einer Liste an Forderungen an ihn heran, auf diesem Weg erfuhr der Mann, dass ausnahmslos alle gewerkschaftlich organisiert waren, einige bei der UGT , andere bei der CNT . Er tobte, bekam sich nicht mehr ein. Bis einer der Geschäftspartner zu ihm sagte: Lieber Freund, hör auf damit. Mund halten und lächeln heißt die Divise. Sich aufzuspielen ist jetzt nicht angesagt.
    Was sagst du dazu, Mikuscha? Hipólito hat die Meldungen über die beeindruckenden Streiks der Metallarbeiter in Frankreich gelesen, beachtlich, was sie auf die Beine stellen, erzähl mir davon.
    Großartig, kaum zu glauben, fast alle großen Fabriken sind besetzt. Die Arbeiter auf den Fabrikgeländen diszipliniert und fröhlich. Die Maschinenhallen peinlich sauber. Auf den Demonstrationen wird gesungen und Musik gemacht. Die kleinen Händler und Arbeitslosen unterstützen den Streik der Arbeiter. Sie haben Essen und Radiogeräte. Lohnerhöhung, eine Woche bezahlten Urlaub, einheitliche Verträge sind die Forderungen, denen einige Unternehmer bereits nachgekommen sind. Die Streiks weiten sich auf das ganze Land aus.
    Am Dienstag besuchte Mika zusammen mit Georgette eine streikende Freundin in den Galeries Lafayette, die ganze Nacht haben sie ihr Gesellschaft geleistet in dem geräumten, zum parloir verwandelten Untergeschoss, am nächsten Tag war sie beim Unterrichten müde, aber was für ein wunderbares Erlebnis, den Zusammenhalt gesehen zu haben, die tadellose Disziplin, den Kampfgeist, die gute Stimmung. Wenn sie daran denkt, dass eine Belegschaft von 6 000 Angestellten seit einer Woche sämtliche Reichtümer in diesem riesigen Gebäude im Besitz hat und dass nicht ein einziges Rasiermesser fehlt, dass Männer und Frauen die Türen bewachen, damit niemand eindringt, dass die Gewerkschaftsvertreter volle Akzeptanz bei der Belegschaft genießen, obwohl diese von Gewerkschaften bis gestern nichts wissen wollte. Sehr bewegend ist das. Wenn nur ihr Liebster bei ihr wäre.
    Hipólito ist nicht ganz so euphorisch wie Mika, natürlich gewinnen die Volksfront, das Proletariat in dieser Anfangsphase an Stärke, weil sie unabhängig handeln. Aber Vorsicht, es besteht eine ernste Gefahr, sie dürfen ihre Stärke nicht an die bürgerliche Klasse und ihre Kriegspolitik verkaufen. Das relative Wohlwollen, mit dem Regierung und Unternehmer den Arbeitern begegnen, zeigt sehr deutlich, wo die Gefahr liegt.
    Aber genug von Politik, er hat zwei gute Nachrichten für sie.
    Heute hat er den Mietvertrag für die Wohnung in der Calle Meléndez Valdés 36 unterschrieben. Dritter Stock, hell, freundlich. Zur Feier des Tages werden Hipólito, Marie-Lou und Jackie morgen in den Park von Moncloa picknicken gehen. Vicente musste, nachdem alles unterschrieben war, abfahren, aber am Samstag kommt er zurück.
    Und Juan Andrade hat ihm zugesagt, dass er für den Verlag Zenit ein paar Arbeiten übernehmen kann, Genaueres hat er ihm noch nicht mitgeteilt, bei ihrer leidenschaftlichen Diskussion über die Lage in Spanien und der Welt ist ihnen die Zeit weggelaufen. Die Rechte ist sehr nervös, denn Tag für Tag gewinnt das Volk an Boden, Mika, es ist eine wahre Freude. Er ist glücklich, nur fehlt ihm »die hingebungsvolle Vertrautheit Deines Mundes, Dein warmer Körper«.
    Was für eine Freude, Hippos Brief mit der Nachricht, dass sie die Wohnung bekommen haben. Er wirkt auf sie so kraftstrotzend, so gesund, wenn es nur so ist, wenn er nur für immer geheilt ist. Am liebsten würde sie alles stehen und liegen lassen und auf der Stelle in den Zug steigen, aber sie hat für zwei Wochen Arbeit bekommen, und eine weitere Übersetzung, und diese Gelegenheit will sie nicht vorbeiziehen lassen, sie wird gut bezahlt, genug für zwei, drei Monate in den Bergen mit meinem geliebten Hippo! Verstehst Du, mein Liebster?
    Die Klauen der Angst: Wenn sie nicht bald zu ihm fährt, wird er sich womöglich mit dem Herrichten der Wohnung übernehmen, sie kennt diese Seite von ihm zur Genüge, sich zu verausgaben, ohne sich das Nötigste

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