Die Capitana - Roman
zuzugestehen, hätte er nicht solche harten Entbehrungen auf sich genommen, als er von seiner Familie auszog, wäre er nicht krank geworden. Er kann ruhig mit anpacken, muss aber auf sich aufpassen. Mika wird ihm 200 Francs schicken, und er soll sich wenn nötig etwas borgen, sie können es ohne Probleme zurückzahlen. Warum hat er nur diese Arbeit angenommen, eigentlich muss sie sofort zu ihm und nach ihm sehen. Es sind nur noch ein paar Tage, und ein paar mehr Geldreserven können sie gut gebrauchen. Und jetzt fort mit diesen dunklen Schatten und an die Arbeit.
Sie hat bereits eine Tasche mit ihrer Winterkleidung gepackt, und darin das einzig Wertvolle verstaut, das sie besitzen: die sechs Teller von Limoges. Das Abtragen der Papierstapel geht voran, und die Ecken sind schon fast leer. Bleibt die heikle Bücherfrage, immerhin hat sie sich schon daran gemacht, sie in Gruppen einzuteilen: einen Teil der Bücher wird sie mitnehmen, einen anderen Teil werden die Rosmers und die Baustins ihnen mitbringen, von einigen wird sie sich trennen, was ihr sehr schwer fällt …
Es ist schon spät, aber sie beendet noch den Brief: »In Paris regnet es, und es ist heiß. Umarme mich, bald bin ich bei Dir.«
Sie sind in die Wohnung in Moncloa eingezogen. Endlich. Hipólito ist erschöpft. Marie-Lou hat ihn praktisch zwingen müssen, sich hinzulegen, es macht nichts, dass sie mit dem Einräumen nicht fertig sind, sie muss jetzt gehen, er soll ihr versprechen, dass er sich ausruht.
»Lauf nicht rum, geh zurück ins Bett«, sagt Jackie zu ihm, als er sieht, wie er den Fensterladen repariert. »Leg dich hin. Wie Mama es gesagt hat.«
Es rührt ihn, wie er auf ihn aufpasst, der Junge ist ein Schatz. Hipólito hat so viel Freude an ihm. Mika wird davon begeistert sein, mit Jackie zusammenzuwohnen. Wie seltsam das Leben doch ist, jetzt auf einmal bringt es sie in die Lage, mit einem Kind zu leben, sie, die sie sich doch gegen Kinder entschieden haben, um nicht eingeschränkt zu sein im Kampf. Seit jenem Nachmittag in Saint Nicholas de la Chapelle haben sie nicht mehr darüber geredet, er würde fast sagen, sie haben es vergessen, und dieser Tage auf einmal, als er sich mit Jackie im Park vergnügte und sich mit ihm unterhielt, denn mit ihm kann man sich unterhalten, kam ihm auf einmal dieser Gedanke, wie es wäre, selbst ein Kind zu haben. Aber nein, das ist nicht der richtige Zeitpunkt, seine schwache Gesundheit erlaubt es ihm nicht, Vater zu sein. Ob er es Mika sagen soll?
Eher nicht, vielleicht später einmal, wenn es ihm tatsächlich bessergeht. Wie sehr er sie vermisst. Wenn sie nur endlich, endlich kommt.
Freitagabends wird sie in den Zug steigen und Sonntag früh in Madrid ankommen. In ihrer Tasche hat sie das malvenrote Kleid, um sich im Zug umzuziehen. Sie möchte, dass Hippo sie in diesem Kleid auf dem Bahnsteig entdeckt.
»Du bist noch schöner als an jenem Nachmittag 1920«, sagte er, als sie es zum ersten Mal anprobierte. »Die Jahre und das Kämpfen machen dich schöner.«
»Und dieses Kleid«, antwortete Mika ihm.
Und jetzt vor dem Spiegel stellt sie wieder fest, wie hübsch sie in dem Kleid ist, das Hippo ihr geschenkt hat. Sie dreht sich um die eigene Achse, der weite Rock fliegt und beschwingt sie, sie ist fast glücklich.
Das ist doch nicht nötig, sagte sie, als sie das Päckchen öffnete, aber er hatte recht, es hat ihr so gutgetan.
Sie hat ein Geschenk für Hippo, das ihnen beiden guttun wird: eine lange Reise wie damals, als sie nach Patagonien gingen. So erträumt sie sich ihr Leben in Spanien, ruhige und erfüllte Tage, lang und weit.
34. Kapitel
Madrid – Atienza, Juli – August 1936
Eine starke, gnadenlose Sonne, eine Hitze, die von Stunde zu Stunde zunimmt und ebenso glühend ist wie die Entschlossenheit derer, die an der Puerta del Sol zusammengekommen sind, um zu verkünden: Hier sind wir, und sie werden nicht durchkommen. Wie viele sind es? Hunderte, Tausende. Hipólito hat den Eindruck, ganz Madrid ist auf der Straße und bietet den aufständischen Militärs aus Melilla die Stirn.
Alle nicht, die Anhänger der Faschisten haben sich in ihren Häusern verschanzt und bewachen ihre Besitztümer, in Angst erstarrt angesichts dieser Menschenströme, die sogar aus weit entfernten Vierteln zur Puerta del Sol gekommen und nicht aufzuhalten sind. Männer in jedem Alter, und etliche Frauen.
Sie wissen nicht, wie sie sich organisieren, woher sie Waffen bekommen sollen, und auch nicht, wie man sie
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