Die Capitana - Roman
alles in Berlin Bescheid weiß, tuscheln sehen. Dann hat sich Hipólito von ihnen abgesetzt: Sie sollen kurz auf ihn warten, er ist gleich zurück. Mika ist sich sicher, dass bei seiner Rückkehr etwas in seiner Manteltasche versteckt war. Er brachte irgendeine Ausrede an, aber sie fing diesen Lausbubenblick auf, dieses Blitzen in seinen Augen, das sie schon kannte, und fragte nicht weiter nach.
Hipólito liebt es, sie mit schönen Dingen zu überraschen. Wie damals in Paris mit den Briefen von Flaubert, um die Mika an einem der Bücherstände am Seineufer herumgeschlichen war, doch er hatte gesagt, nein, sie müssen sparen, sie kann sie in der Bibliothek lesen. Heimlich kaufte er sie doch, und kaum waren sie zu Hause: Mach die Augen zu, mein Mädchen, tatarata, Augen auf, Flaubert! Und an dem Abend, als Mika von ihrer ersten Stunde als Spanischlehrerin zurückkam, ihrer ersten Arbeit in Frankreich, empfing er sie in der Mansarde mit einer vorzüglichen Ente, von einer befreundeten Genossin eigens zu dem Anlass zubereitet.
Was für ein Glück, einen Gefährten wie Hipólito zu haben, denkt sie, während sie den grauen Pullover gegen den etwas dünneren blauen tauscht und sich im Spiegel betrachtet. Sie wird die grüne Bluse anziehen, die ihm so gefällt. Ein weiterer Blick in den Spiegel, sie lächelt. Hübsch ist sie, stellt sie fest, mindestens genauso wie Ilse Schwartz. Bei dem Gedanken muss sie schmunzeln. Sie will Katja davon erzählen, dann haben sie beide etwas zu lachen.
Rührend, dass Katja ihr erzählt hat, sie würde sich immer sorgfältig überlegen, was sie anzieht, vor allem zu Hause, und wie sie ihr Haar löst, schön langsam, und den Kopf nach hinten wirft, weil sie weiß, dass Kurt das gefällt, lach nicht, meine Liebe, Ideale und Aktionen sind nicht alles, was das Begehren in einer Liebesbeziehung wachhält, ist viel mehr.
Wer hätte gedacht, dass eine Kämpferin wie Katja Landau Zeit und Gedanken auf die Erneuerung ihrer Garderobe verwendet, mit den paar Mark, die sie haben, dass sie sich eine neue Frisur zulegt oder auf die Suche geht nach einem Kajalstift, der ihre schönen grünen Augen zur Geltung bringt. Mika käme so etwas nicht in den Sinn, ihr ist es gleich, was sie anzieht, und sie nimmt an, auch Hipólito – und bestimmt auch Kurt – findet das nicht wichtig, doch was Katja gesagt hat, leuchtet ihr ein.
Sie fährt sich mit der Bürste durch die Haare, reibt sich die Wangen, damit sie etwas Farbe bekommen, und schminkt sich die Lippen leuchtend rot mit dem Stift, den Katja ihr geschenkt hat, nimm ihn, Mika, und verwende ihn, sieh doch, wie er dich zum Strahlen bringt. Hoffentlich lacht Hippo nicht über sie, und wenn er überrascht ist, umso besser. Er kann auf sie bauen, kennt sie durch und durch, das schon, aber dass Mika ihn nicht mehr überraschen kann ist nicht gut. Bereitet nicht auch er gerade eine Überraschung für sie vor?
Mika lernt viel von Katja, so wie sie seinerzeit viel von Alfonsina Storni und Salvadora Medina Onrubia gelernt hat.
Stimmen reißen sie aus ihren Gedanken. Es sind Ilse Schwartz und Hipólito, auch das noch. Mika will nicht in die Küche gehen, die Überraschung nicht kaputtmachen, die er für sie vorbereitet. Aber sie kann ihn auch nicht Ilses Redeschwall ausgesetzt lassen. Sie lachen gerade, als Mika in der Küchentür erscheint.
»Frau Schwartz fragt uns, ob wir nicht im Esszimmer zusammen zu Abend essen wollen, Herr Schwartz ist heute nicht in Berlin«, sagt Hipólito und lächelt, »was sagst du dazu?«
Was soll Mika schon sagen, wenn die beiden das so beschlossen haben, wie sie ihrem vergnügten Lächeln entnimmt, schon drückt ihr Ilse Teller in die Hand: Sie soll sie hinstellen, seien Sie so gut, meine Liebe.
Bei Tisch ein Gespräch, das nur schwer in Gang bleibt, und dieses Käseomlett, das Mika eigentlich loben sollte, aber Ilse hat schon so viel, zu viel gesagt, was soll sie dem noch hinzufügen. Hipólito geht in die Küche, soll ich dir helfen?, nein, bleib nur sitzen, er kommt mit einem Geschirrtuch über dem Arm zurück und einer Schüssel, die er feierlich aufdeckt, und dann seine sie anlächelnden Augen:
»Schau, was ich für dich gemacht habe«, sagt er ihr in seinem argentinischen Spanisch, »Pfannkuchen mit Karamellcreme«.
Sie schenkt ihm ein gequältes Lächeln, wenn Hipólito das nur zu ihr sagt und sie dabei auf diese Weise ansieht, warum essen sie dann mit Ilse? Aber das behält sie für sich: danke, murmelt
Weitere Kostenlose Bücher