Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
Vom Netzwerk:
zuzuflüstern, aber er überhört das, selbst Ramírez findet, dass seine Frau zu weit gegangen ist. Ethelvina!, tadelt er sie etwas hilflos.
    »Verzeihung, Oberst Ojeda«, die falsche samtene Stimme Ethelvinas. »Augusto hat natürlich recht, ich benehme mich wie ein Kind, ich sage einfach, was mir in den Kopf kommt.«
    Von Ojeda kein Wort, ein angedeutetes Nicken, Hände, Gesichter, aufgesetztes Lächeln, die Tür, die zufällt, das Auto, schnell, die Schritte, die Straße. Er wird die Regeln brechen, schließlich ist Weihnachen, er wird in die Schützengräben gehen.
    Singen? Klatschen?
    Mika entdeckt ihn und geht auf ihn zu, sie ist verwirrt.
    »Kommandant Ojeda, was ist los?«
    »Ich bin gekommen, um mit euch anstoßen, wie es nur natürlich ist.«
    Ruvin Andrelevicius empfand Stolz, als er erfuhr, dass Mika Befehlshaberin einer Kolonne war, er stellte sie sich in ihrem Kampfanzug vor, wie sie das Gewehr umklammerte und den Feuerbefehl gab, und ein lustvoller Schauder durchlief ihn. Irgendetwas an Mika Feldman hatte ihn vom ersten Tag an fasziniert, und dabei hatte er nicht vergessen, was sie Jan Well auf dem Treppenabsatz in diesem Haus in der Sophienstraße angetan hatte, nein, das vergaß er nicht, aber für ihn war es eindeutig, dass Mika sich mehr gegen sich selbst gewehrt hatte, gegen die Wucht ihrer eigenen Gefühle, als gegen ihn.
    Das würde er ihr sagen, er würde sie mit der Wahrheit über sie selbst konfrontieren, aber jetzt war er Andrei Kozlov und konnte sich so einen Fehltritt nicht erlauben, schon gar nicht gegenüber jemandem vom POUM , konnte diese Frau es denn nicht lassen, sich selbst in Schwierigkeiten zu bringen? Immer setzte sie aufs falsche Pferd, ein Jammer war das, die Tage des POUM waren gezählt. Mika könnte für die Partei sehr nützlich sein, es müsste ihr nur jemand die Augen öffnen, dann würde sie ihre Energie und ihre Intelligenz in den Dienst der richtigen Sache stellen.
    Als sie Ojeda kommen sah, fühlte Mika sich schuldig. Er hatte ihnen den strikten Befehl gegeben, wachsam zu bleiben, es war mit einem Angriff zu rechnen, hatte er sie gewarnt. Und sie sangen Fandangos und Tarantas mit den Faschisten! Sie hätte diese Verbrüderung nicht durchgehen lassen dürfen, doch wie beim letzten Mal hatte sie es nicht verhindern können, die Situation war ihr entglitten. Als Francos Soldaten anfingen zu klatschen, zuerst schüchtern, dann immer selbstsicherer, im Takt zu ihrem Gesang, der sie immer mehr mitriss, Olé, rief es von drüben, Olé erwiderte es von ihnen, dann wieder ein Olé von der anderen Seite, und so wurde das Klatschen immer stärker, die Olés zahlreicher, immer lauter die raue Stimme des Flamencosängers, das Klatschen im Rhythmus der andalusischen Musik, entschlossene Hände, ohne Angst, ohne jegliches Arg, Hände von Bauern, Studenten, Angestellten und Minenarbeitern, Hände von Spaniern.
    Ojeda schien mehr perplex als verärgert.
    »Singt leiser«, befahl Mika und ging auf den Oberst zu.
    Nach und nach verstummte der Gesang, als würden auch sie sich für diese Überschreitung schämen, zu der sie sich hatten hinreißen lassen. Verdammte Weihnachten! Aus freien Stücken hatten die Republikaner sich dem Feind gezeigt, eine Unvorsichtigkeit, für die sie schon am nächsten Tag, Gesang und Klatschen waren längst vergessen, die Quittung bekamen in Form von Granatenbeschuss.
    »Sie verbindet nicht nur das Singen und Klatschen«, sagte Ojeda wie zu sich selbst, »oder sind etwa die, die kürzlich von der franquistischen Armee zu ihrer Kolonne übergelaufen sind, so anders? Nein.«
    Mit einem aufrichtigen Lächeln zollte Ojeda Mika Anerkennung dafür, dass sie die Männer nicht verhört hatte, die vom Feind desertiert und sich ihnen angeschlossen hatten, und auch niemand anderem erlaubt hatte, sie zu verhören, er hatte ihr das noch nie gesagt, aber ihre Haltung gefiel ihm sehr gut, alles, was sie machte, gefiel ihm, das musste einfach mal gesagt werden.
    Was war an diesem Abend mit Kommandant Ojeda los? Seine Augen glitzerten wie die Eiszapfen an den Pinien.
    »Alles? Auch, wenn ich Ihnen nicht am Morgen den Lagebericht oder wie das heißt bringe, dieses Papier, das Sie von mir gleich zu Anfang forderten, auf dem die Menge der Waffen aufgeführt werden, die Anzahl der Milizionäre, die Bewegungen des Feindes? Wenn Sie wüssten, wie ich mich jedes Mal damit quäle, Kommandant Ojeda.«
    »Fast alles, sollte ich also sagen.«
    Es war seltsam, Ojeda hier zu sehen, er

Weitere Kostenlose Bücher