Die Capitana - Roman
hast du deine Leute losgeschickt, ein paar Flaschen Hustensaft zu kaufen, obwohl bei den meisten weniger die Arznei wirkte als deine Fürsorge, die dem Pfeifen der Kugeln trotzte, diese kleine und doch so große Geste war es, was sie brauchten. Und Corneta immer an deiner Seite.
Alle lachen, als Ojeda ihnen erzählt, dass die Capitana Etchebéhère sich, mit Löffel und Hustensaft bewaffnet, in die Schützengräben begibt, und dann wie zu Kindern: Mund auf, Compañero.
Wie ulkig, Ethelvinas kristallhelles Lachen steigt auf, aber ein feindseliges Funkeln in ihren Augen straft es Lügen. Ein Stück Kuchen, ein Likör?, bietet sie an, und als sie aufsteht, fordern ihre Bewegungen, ihr aufreizender Körper die gesamte Aufmerksamkeit der Männer.
Warum kann er sie nicht leiden? Tomás Oleido, ein Waffenbruder, dem Ojeda nach dem Treffen seine Vorbehalte gegen Ethelvina anvertraut hat, fragte ihn mit ironischem Unterton, ob er nicht vielleicht eifersüchtig auf Ramírez ist. Nein, überhaupt nicht, ihn kümmert auch nicht, dass sie nicht die Ehefrau von Oberst Ramírez ist, die sich in Valencia aufhält, das muss jeder selbst wissen.
Ojeda käme nicht auf die Idee, eine Frau mit an die Front zu nehmen (seine ist zu Hause mit den Kindern, weit weg von der Schlacht), und vielleicht findet er deshalb, Ramírez sollte im Divisionshauptquartier nicht mit seiner Geliebten zusammensein. Obwohl auch das nicht der eigentliche Grund ist, wenn ihm das so widerstreben würde, hätte er die erste Einladung schon ausgeschlagen. Ethelvina selbst hat etwas, das ihn abstößt, misstrauisch stimmt. Darum bittet er sie, bevor sie heikle Kriegsangelegenheiten ansprechen, wenn Sie so freundlich wären, Señora, und uns allein lassen würden.
Ramírez gefällt es gar nicht, dass er sie wegschickt, das sieht man ihm an, aber er kann nichts dagegen tun. Er braucht nichts weiter zu erklären, Ethelvina hat ihn verstanden und verabschiedet sich mit einem langen Kuss auf den Mund von Ramírez. Auf Ojeda wirkt es, als würde sich ihre aufreizende Geste mehr an ihn und den französischen Journalisten richten als an ihren Mann. Eine verschrobene Provokation.
Juan Ojeda sah es, Mika, noch bevor er in Ramírez’ Haus auf Ruvin Andrelevicius traf, der sich in Spanien Andrei Kozlov nannte, er misstraute dieser Frau. Auch wenn er in keiner Weise ahnen konnte, was sich hier anbahnte. Wenn er an jenem Abend – und an weiteren – vor Ethelvina so viel und so gut von »der Capitana« sprach, dann nicht nur, weil er dich so sehr schätzte, sondern weil er ihr anmerkte, dass sie sich darüber ärgerte. Allerdings hütete er sich davor, irgendetwas Unziemliches zu sagen.
Die große Schrei-Aktion der Milizionäre wollte er nicht vor Ethelvina ansprechen. Man hätte darin einen Verstoß gegen die Disziplin sehen können, eine Ungehörigkeit. Doch als sie später in einem Café weitersprachen und tranken, berichtete er lachend dem Journalisten Roger Klein davon.
Roger Klein lernte dich durch Ojedas Erzählungen kennen. Wie sollte er nicht fasziniert sein von einer Frau, die einen Chor auf die Beine stellt, der an der Front singt? Aber es sollten noch viele Jahre ins Land gehen, bevor er dir den Vorschlag machte, der euch am Tag, als du ins Altersheim in Montparnasse aufgenommen wurdest, so sehr zum Lachen gebracht hat.
Mit den Beleidigungen begann es schon am ersten Tag. Warum auch immer die Faschisten das taten, um sich abzureagieren, um sich in Fahrt zu bringen, um für ihr Tun einen Grund zu finden, den sie vielleicht nicht hatten.
»He, ihr Russen, antwortet auf Russisch, wenn ihr immer noch nicht Spanisch gelernt habt, ihr Arschlöcher.«
Mika untersagte ihnen, zu antworten. Damit wollten sie sie nur provozieren, um ihre Stellungen auszukundschaften, sie durften nicht in diese Falle treten. Aber die Faschisten waren ganz nah, zu nah, und hatten bereits elf Milizionäre getötet und etliche verletzt, wie sollten sie das aushalten:
»Jetzt zeigt, ob ihr Mumm habt wie echte Männer, oder ob ihr alle Schwuchteln seid, die sich nicht zu antworten getrauen, wenn man sie beleidigt.«
Der schlammige Schützengraben, die eisige Kälte, die Aussicht auf einen ungleichen Kampf. Und dann auch noch die Beleidigungen. Gut, sie würden antworten, aber auf ihre Weise, sie waren doch nicht wie die Faschisten, Compañeros, wir erteilen ihnen eine Lektion.
Mika schlug ihren Männern einen Sprechchor vor, ähnlich denen, die sie in Berlin gehört hatte, auf den
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