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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Ojedas persönliche Meinung zu diesem Sprechchor aussah, die vier Franquisten, die zu ihrer Kolonne übergelaufen waren, gaben Mika recht. Mika führte sie Ojeda vor, der seine Zufriedenheit nicht verbarg. Haben Sie sie verhört, Capitana?
    »Nein, compañero coronel , und ich habe auch nicht zugelassen, dass irgendwer sonst sie verhört.«
    Mika zog sich zurück, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, sie darüber aufzuklären, ob es richtig war oder nicht, Überläufern Fragen zu stellen, sollte er es tun, wenn er es für angebracht hielt, sie nicht.

23. Kapitel
Pineda de Húmera, Dezember 1936
    Am 23. Dezember bat Mika Ojeda um Erlaubnis, ein kleines Weihnachtsfest veranstalten zu dürfen, mit Gesang und Wein: Die Milizionäre sind nicht gläubig, aber sie pflegen den Brauch, Kommandant Ojeda. Das ist nur natürlich, sagte Ojeda zustimmend.
    Ist es nur natürlich, bei Ramírez im Haus vor dem brennenden Kamin zu sitzen, mit einer Gruppe Leute, die sich unterhalten und trinken, als wäre das ein Weihnachten wie jedes andere?
    Nein, nur natürlich wäre es, mit seiner Familie zu feiern, seiner liebsten Frau und seinen Kindern. Aber sie sind mitten im Krieg, und Oberst Juan Ojeda darf sich von seinem Kommandoposten nicht weiter als ein paar Kilometer entfernen. Das gilt auch für Muñoz, und für Ramírez (obwohl der gut Lachen hat mit seiner Gespielin an der Front).
    Ethelvina unterhält sich mit Andrei Kozlov, dem sowjetischen Berater, ihre Wangen rosig vom Alkohol und dem anregenden Gespräch, immer wieder wirft sie die Haare zurück und biegt sich einladend nach hinten. Ihre Beute ist jetzt der Russe, gar kein Zweifel. Ojeda beobachtet die beiden. Kozlov gefällt ihm auch nicht, alle beide nicht, gesteht er sich, und am wenigsten gefällt ihm die Beflissenheit einiger seiner Waffenkameraden gegenüber den Sowjets, als Allererster Ramírez selbst, warum lädt er ihn zu sich nach Hause ein.
    Demnächst werden die Milizen unter dem Befehl des Komitees für die Verteidigung Madrids zusammengefasst werden. Die Mitglieder der Kommunistischen Partei, vor dem Krieg eine Gruppe von vielen, besetzen eine Machtposition nach der anderen, wozu die Internationalen Brigaden entscheidend beitragen. Es gibt nur noch eine einzige Bewegung, die Kommunistische Partei, und was ist mit den Sozialisten, den Leuten des POUM , den mutigen Anarchisten? Auf die Anarchisten werden sie, ob es ihnen gefällt oder nicht, nicht verzichten können, aber was soll aus dem POUM werden. In der letzten Zeitschrift der Kommunistischen Partei werden sie als Faschisten, Verräter, Agenten der Nazis besudelt.
    Gestern in Puerta de Hierro hat Ojeda mit Cipriano Mera ein offenes Wort geredet, dem Anführer der CNT und Befehlshaber des 11. Regiments. Er ist mit der Politik der republikanischen Regierung nicht einverstanden, vertraute Ojeda ihm an, Mera ebenso wenig, zwar will er sich in seinem Kampf gegen den Faschismus nicht entmutigen lassen, aber er sieht es schon kommen, dass die Regierung unter dem Einfluss der Kommunistischen Partei die Revolution niederwalzen wird.
    Kommandant Ojeda will gar nicht daran denken, sich nicht die Laune verderben lassen, wie soll er dann noch glaubwürdige Befehle erteilen. So wenig ihm die sowjetische Übermacht gefällt, sie müssen den Krieg gewinnen, versucht er sich einzureden, während Ethelvina ihre geöffneten Lippen lasziv mit der Zunge befeuchtet und Kozlovs lüsterner Blick gehorsam von Ethelvinas Mund zu ihrem Dekolletee wandert. Eine Schamlosigkeit, aus der sich einiges schließen lässt. Nicht Empörung überkommt ihn, sondern ein mächtiges Gefühl der Sinnlosigkeit.
    Wenn es nur darum geht, den Krieg zu gewinnen, ist es dann nur natürlich, dass Juan Ojeda, der ein Regiment befehligt, hier herumsteht zwischen Gläsern und Leuten, die er abstoßend findet, anstatt auf seinem Kommandoposten zu sein? Der Gedanke an die Capitana, wie sie mit geschwärztem Gesicht, zerzausten Haaren vor ihm steht und ihn um Süßigkeiten bittet, ein paar Nüsse und Getränke für ihre Milizionäre zu Weihnachten, erfüllt ihn mit Scham. Sein Mantel. Er geht. Schon?
    »Aber wir haben doch noch gar nicht angestoßen, bleiben Sie noch ein bisschen, mein Oberst.«
    »Dräng ihn nicht, mein Liebster«, sagt die Kristallstimme, »der Oberst wird seine Gründe haben, warum er zurück will«, Kristall, das zerbricht, »hat Oberst Ojeda Ihnen von der Capitana erzählt, Don Kozlov?«
    Die Capitana des POUM , scheint sie Kozlov

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