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Die Capitana - Roman

Die Capitana - Roman

Titel: Die Capitana - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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hat. »Schau, Mika, wie riesig die ist«, und hält ihr das Prachtexemplar vor die Nase.
    Sie bemüht sich, ihren Ekel nicht zu zeigen. Gestern hat Kommandant Barros sie zurechtgewiesen. Sie soll das nicht so wichtig nehmen, fertigte er sie barsch ab, als Mika ihm neue Maßnahmen gegen die Läuseplage vorschlug. Sieht sie das nicht? Die Männer hocken in den Schützengräben, ohne sich waschen oder frische Kleider anziehen zu können, sie haben eben Läuse, das ist unvermeidlich, aber seien Sie beruhigt, an Läusen ist noch niemand gestorben.
    Da hat Barros recht. Corneta in seiner Unschuld belehrte sie: Mach dir darum keine Sorgen, das ist nicht so schlimm, wie du denkst, ich habe schon eine Menge Läuse gehabt. In meinem Dorf haben alle Kinder Läuse.
    Vielleicht weil sie echte Armut nie kennengelernt hat, hat sie nichts anderes im Sinn als die Läuse. Doch auch die Milizionäre scheinen nichts anderes mehr im Sinn zu haben. Sie veranstalten Läuse-Wettrennen, reden unentwegt von den Läusen, allerdings eher deswegen, weil sie nichts zu tun haben und sich langweilen, und nicht, weil die Läuse sie ernsthaft stören würden. Irgendetwas muss man sich einfallen lassen, denkt Mika.
    Lesen. An der Front lesen! Allein die Idee begeistert sie. Sie wird aus Madrid Bücher herschaffen. Einfache, unterhaltsame Geschichten, Salgari, Jules Verne, illustrierte Zeitschriften. Natürlich wird das nicht so einfach sein, bei den vielen Analphabeten, aber ein Versuch ist es wert.
    »Eine Schule? Wo wollen Sie denn hier eine Schule einrichten?«, wundert sich Kommandant Barros.
    Mika erklärt ihm, was sie vorhat. Unter den Milizionären sind drei Lehrer.
    »In Ordnung. Probieren wir es«, erklärt der Kommandant sich einverstanden, vielleicht auch nur, damit sie ihm nicht weiter mit den Läusen in den Ohren liegt.
    Doch schon bald sollte Oberst Pablo Barros der eifrigste Verfechter der Schule an der republikanischen Front sein.
    Oberst Augusto Ramírez findet die Idee bedenkenswert, obwohl er zunächst an ihrer Durchführbarkeit gezweifelt hat. Doch an diesem Morgen hat er es mit eigenen Augen gesehen und kann es immer noch nicht glauben. Stell dir vor, Ethelvina, sie haben hinter den vorderen Linien zwei Hütten errichtet, und dort lernen sie, während sie auf den Kampfeinsatz warten, Lesen und Schreiben. Kisten mit Büchern, nach Themen sortiert, einige lesen, andere sehen sich im Schützengraben Zeitschriften an. Phantastisch ist das. Es hilft nicht nur, in Zeiten des Stillstands die Moral der Milizionäre hochzuhalten, sondern das bringt den Menschen auch noch eine gewisse Bildung.
    Augusto möchte das für die gesamte Brigade übernehmen. Und so hat er die Capitana Etchebéhère zu sich gebeten, damit sie ihm das Projekt im Einzelnen erklärt. Er hat sie zum Abendessen eingeladen und rechnet damit, dass Ethelvina ihr die Ehre erweist – das klingt, als wollte er ihr das geraten haben, und er schiebt in milderem Ton nach: Du wirst sehen, dass du diese Frau falsch eingeschätzt hast, sie ist nett und sehr intelligent.
    Ethelvina findet das nicht. Weil Augusto sie darum gebeten hatte, brachte sie das Essen, den Wein, Süßspeisen und Kaffee, sie ertrug, als ob sie sie nicht bemerken würde, die unverhohlene Verachtung im Gewand der Gleichgültigkeit, mit der diese Frau sie behandelte, und sogar dieses bissige Lächeln, als sie sie nach ihrem Alter fragte, aber Augusto kann nicht von ihr verlangen, dass sie jetzt, da Mika zum Glück endlich fort ist und sie allein sind, sich weiter verstellt.
    Sie mag Mika nicht, und nicht nur, weil sie ein solches Mannweib mit schlechter Kleidung, ungepflegten Fingernägeln und rauer Haut abstoßend findet, viel mehr stört sie, dass diese Frau es sich herausnimmt, über Ethelvinas Beziehung zu Augusto, über ihre Anwesenheit zu urteilen, ich weiß, sie hat darüber kein Wort verloren, aber es ist überdeutlich, und hat es dich nicht stutzig gemacht, dass sie von dir genauere Angaben zu dem Angriff wollte? Ihre Augen blitzen, sie aus der Nähe erlebt zu haben, hat sie in ihrem seltsamen Gefühl nur bestärkt, ihre Stimme nun ein leises Raunen, so als suchte sie das passende Register für ihr Urteil: diese Frau ist eine Verräterin.
    Augustos Lippe schiebt sich leicht nach links, er kneift die Augen zusammen, schnappt nach Luft. Er ist außer sich.
    »Wie alle bei der POUM «, provoziert Ethelvina ihn weiter. »Ich verstehe deine Haltung nicht, du bist ein Oberst der Republik, Befehlshaber einer

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