Die Cassini-Division
der anderen Menschen verändert! Dies
war die Folge einiger komplizierter Gerichtsverfahren, bei denen
es um Wilde, Wildes Maschinenkopie, David Reids Besitzrechte an
Dee und natürlich um die Schnelldenker ging.
Anschließend klagten mehrere in Privatbesitz befindliche
intelligente Maschinen ihr Recht auf Selbstbestimmung ein, und
zahlreiche Menschen unterstützten sie dabei. Die neuen
Menschen, die von den Toten auferstanden waren, sahen nicht ein,
wie man Roboter so behandeln konnte – ihnen waren die
Vorurteile der ersten Menschen fremd.«
»Ja«, sagte ich. »Davon hat Wilde uns
berichtet. Er meinte, bei seinem Abflug sei es ziemlich hoch
hergegangen.«
»Das kann man wohl sagen! Damals standen wir kurz vor
einer Revolution, alle waren auf den Straßen und
diskutierten.«
»Was geschah mit den Schnelldenkern?«, fragte
ich.
Tamaras Miene umwölkte sich. »Also, nachdem Reid
und Wilde sie dazu benutzt hatten, die Wiederauferstehung in die
Wege zu leiten – die geht übrigens weiter, wir
erwecken ständig Menschen aus dem Speicher zum Leben,
insgesamt etwa eine Million im Laufe der vergangenen fünf
Jahre, weshalb die Stadt auch so schnell wächst und
überall neue Siedlungen entstehen –, löschten sie
die Kopien der von ihnen wiedererweckten Schnelldenker. Reid
besitzt immer noch die Originale. Hat noch immer Angst vor einer
gefährlichen Singularität.« Sie hielt einen
Moment nachdenklich inne. »Jetzt aber, da es so scheint,
als verhielten sich die Jupiteraner ganz vernünftig, und als
bestünde keine Gefahr, dass sie durchdrehen oder so, wird
sich das vielleicht ändern.«
»Das wird es bestimmt«, sagte ich, »denn
wenn es nach mir geht, braucht Reid sich nicht mehr lange wegen
einer drohenden Singularität Sorgen zu machen.«
Tamaras Freude über diese aufrichtige, aber auch
doppeldeutige Bemerkung beschämte mich ein wenig. Ich wandte
mich ab und blickte auf die Stadt hinab, die unter und vor uns
ausgebreitet lag und die mit ihren fünf Armen – drei
davon kürzer als die anderen –, den langen
Straßen und den Radialkanälen mitsamt dem Ringkanal
einem leuchtenden Seestern glich.
9
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Ein modernes Utopia
AUF FLUGPLÄTZEN, WO DIE MENSCHEN auf überdachten
Laufbändern zu den wartenden Maschinen fahren, geht es ruhig
zu. An den Wänden der Abfertigungshalle stehen Tische mit
Getränken und Snacks, es gibt offene Läden, wo man
alles bekommt, was man brauchen könnte und gerne vergisst,
Ständer und Regale, in denen man stöbern kann, und wenn
einem ein Buch, eine Zeitschrift oder eine Diskette gefällt,
nimmt man sie einfach mit. Es gilt als schick, gerade so viel
Unterhaltungsstoff mitzunehmen, wie man bis zum Ende der Reise
oder der ersten Reiseetappe benötigt, sodass man die
Gegenstände an einem anderen Flugplatz ins Regal
zurücklegen kann. Auf manchen Flughäfen trifft man auf
Musiker oder Akrobaten oder Ähnliches. Wenn man Lust hat,
hört oder schaut man ihnen zu, wenn nicht, lässt man es
bleiben. Die einzigen Schranken, denen man begegnet, dienen der
eigenen Sicherheit. Hin und wieder ist man anderen Leuten mit dem
Gepäck behilflich oder bittet jemand anderen um Hilfe. Muss
man lange auf einen Flug warten, schließt man sich
vielleicht einer der Hilfsaktivitäten an und sorgt
dafür, dass eiligere Passagiere ihre Erfrischungen oder
Bücher bekommen oder ist ihnen mit dem schweren Gepäck
oder den kleinen Kindern behilflich. So geht es auf
Flughäfen zu.
Für den Kapitalismus gilt das nicht. Als ich in
Begleitung meiner Genossen und gefolgt von den führenden
Bürgern der Stadt am Ende eines langen Gangs vom
geschäftigen Landefeld in die Hauptabfertigungshalle des
Flughafens von Ship City trat, wurde ich von hunderten
begeisterter, hinter einer Schranke wartender Menschen
begrüßt, von einem umherwimmelnden Schwarm von
Reportern, einem Meer greller Farben und ohrenbetäubendem
Lärm. Jeder Quadratmeter, der nicht den Passagieren oder den
auf sie wartenden Freunden oder Angehörigen vorbehalten war,
wurde von Verkaufsständen, Läden oder Kiosks in
Beschlag genommen, jeder mit einem Neonschild ausgestattet, das
für Flüge, Medikamente, Socken, Kosmetika,
Unterwäsche, Versicherungen, Backups, Taxis oder Hotels
warb. Aus den Lautsprechern plärrte eine aufdringliche
Musik, die umso nervtötender war, als sie
regelmäßig von nicht minder aufdringlichen Durchsagen
unterbrochen
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