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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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stiegen zuerst aus und verscheuchten die
Reporter, als wären es Fliegen. Als ich ausstieg, dankte ich
dem Fahrer und verabschiedete mich von ihm, wobei wir zum ersten
Mal Augenkontakt hatten. Er lächelte ein wenig erstaunt, und
sein Lächeln wurde noch breiter, als Dee ihm beim Aussteigen
ein Trinkgeld reichte.
    Das Gebäudeinnere war mit Kunstleder, echtem Holz, den
unvermeidlichen Topfpflanzen und dem üblichen Efeu
ausgestattet. Einige Wände waren jedoch kahl geblieben. Die
weitläufige, mit flauschigem Teppichboden ausgelegte
Rezeption strahlte zurückhaltende Eleganz aus. Im Lift,
dessen Tasten ein grau uniformierter Angestellter bediente, war
bequem für uns alle Platz. Außerdem war er schnell;
von der Beschleunigung sackte ich in den Knien ein.
    Anschließend geleitete uns Reid über einen Gang und
durch einen großen Vorraum in ein kleines Büro; der
schwere Holzschreibtisch und das tief in die Wand eingelassene
Fenster waren bereits durch die offene Tür zu sehen. Eine
rechteckig angeordnete bequeme Sitzgarnitur mit Kunstlederbezug;
gedämpfte Raumbeleuchtung; schwarze Scheinwerferzylinder,
welche die Bilder an den Wänden, einzelne Pflanzen und den
Barschrank beleuchteten.
    »Bitte nehmen Sie doch Platz«, sagte Reid. Er zog
das Jackett aus und markierte sein Territorium, indem er es
über die Lehne des Sessels am Kopfende des Tisches
hängte, dann machte er sich am Barschrank zu schaffen.
Talgarth hängte Hut und Mantel an die Garderobe, schob die
Hemdärmel hoch und nahm Platz, wobei er seine Weste
aufknöpfte. Dee und Tamara warteten, bis wir uns gesetzt
hatten, dann nahmen auch sie nebeneinander Platz.
    Gegenüber dem Sessel, in dem ich mit Boris zu meiner
Rechten und Malley zu meiner Linken saß, hingen
große, gut ausgeleuchtete Fotos an der Wand. Auf den
meisten posierte Reid mit neuen Waffensystemen oder unterhielt
sich mit Leuten, die wohl Kapitalisten oder Angestellte von
Kapitalisten waren. Auf einem Foto standen Reid und Dee zusammen
auf einer breiten Treppe vor einem breiten, überdachten
Portal inmitten vieler Menschen.
    Der Mann neben Reid sah aus wie Jonathan Wilde, und die Frau
neben Dee sah aus wie Dee: dieselbe Größe, die gleiche
Figur, das gleiche Gesicht. Mir wurde jäh bewusst, dass ich
hier Dees Original und Wildes Kopie vor mir hatte, die Kopie, die
hier geblieben war. Die beiden Männer trugen schwarze
Mäntel, schwarze Hosen und bunte Krawatten, und die Frau an
Dees Seite trug ein langes, eng geschnittenes grünes Kleid
von unaufdringlicher Eleganz.
    Dee lächelte selbstgefällig, angetan mit einem sehr
schicken, bodenlangen weißen Satinkleid mit eng anliegendem
Oberteil und Hammelkeulenärmeln, alles mit Perlen,
Stickereien, Einsatzstreifen, Spitzenbesatz und
Organzakräuselungen verziert: kein einziger billiger Trick
des Auffallens um jeden Preis war ausgelassen worden. Auf dem
Kopf trug sie eine silberfarbene Tiara, aus der sich ein
Wasserfall bestickten Tülls auf ihren Rücken und
über den breiten, gekräuselten Teich der Schleppe
ergoss. Bei dem überkandidelten Aufzug schien es sich um ein
Karnevalskostüm zu handeln, bei dem die Absicht, Wirkung zu
erzielen, über Geschmacksfragen triumphiert hatte; ich
veranlasste den Anzug, das Kleid aufzuzeichnen, denn ich wollte
damit demnächst bei einer unserer wilderen Partys einen
starken Auftritt hinlegen.
    Reid stellte in paar Tabletts mit Gläsern auf den Tisch,
dann Schnaps, Bier, Tonicwater, Mineralwasser und Cola.
»Bedienen Sie sich«, sagte er, und während wir
der Aufforderung nachkamen, nahm er mit einer Flasche Bier vor
sich am Kopfende des Tisches Platz. Als wir alle mit
Getränken versorgt waren, lehnte er sich zurück und
fuhr sich ziemlich geistesabwesend mehrmals durchs lange, dichte
schwarze Haar, dann zündete er sich eine Zigarette an. Er
ließ den inhalierten Rauch mit einem gedehnten Seufzer
entweichen.
    »So«, sagte er. »Es geht doch nichts
über ein bisschen Ruhe. Dieser Raum ist so sicher, wie es
nur geht, und befindet sich innerhalb eines Faradaykäfigs.
In den Beton ist Maschendraht eingelassen, hat man mir gesagt;
sehr wirkungsvoll.« Er sah auf eine Art Armbanduhr, dann
blickte er mich an. »Nun, Ellen, ich fürchte, Ihr
verschlüsseltes Videosignal wird die Wände nicht
durchdringen.« Er grinste. »Ich wollte Sie bloß
darauf aufmerksam machen; mich stört das nicht. Zeichnen Sie
nur alles auf und übermitteln Sie es an

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