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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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hoch wie viele Gebäude auf der Erde oder wie
die Bäume in den Kraterkuppeln auf dem Mond, wirkten aber
anmutiger und boten einen atemberaubenden Anblick. Die unteren
Bereiche waren durch Wendeltreppen oder geschwungene Rampen
verbunden, was dem ganzen Komplex das Aussehen eines filigranen
Kopfschmucks verlieh. Es gab auch andere Gebäude,
abgerundete und polyedrische; und hohe gläserne Quader wie
die, neben denen die Terrible Beauty vor gerade mal zwei
Wochen gelandet war.
    Alle Gebäude waren hell erleuchtet; von dem Licht, das
aus den Fenstern fiel, von Scheinwerfern und Reklametafeln. Wir
waren von dem Anblick ganz hingerissen.
    »Das ist wunderschön«, meinte Suze. Reid, der
vor ihr saß, wandte sich um und sagte:
    »Das ist es, außerdem ist es sozusagen ein kleiner
Scherz. Die filigraneren Türme und die eleganten
geodätischen Kuppeln wurden von den Schnelldenkern anhand
alter Darstellungen futuristischer Städte entworfen –
bloß um uns zu zeigen: Seht her, wir können es
besser.«
    »Und sie haben es auch besser gemacht«, sagte
Malley. Sein glucksendes Lachen übertönte das
elektrische Summen des Busses. »Ich erinnere mich noch gut
an die alten Titelbilder. Verdammte Wendeltreppen – die
sahen immer irgendwie schief aus, aber hier stimmt
alles.«
    Mir fiel auf, dass der Fahrer nicht viel zu tun hatte und dass
die meisten anderen Fahrzeuge führerlos waren. Der Fahrer
war somit eine bloße Formsache, entsprechend der
Vorstellung, dass einige Menschen dazu da waren, andere zu
bedienen und ihnen jeden Wunsch von den Lippen abzulesen; typisch
kapitalistisch, genau wie die Stewardessen, mit denen Boris sich
unterhalten hatte und von denen er mir gerade erzählte. Ich
hörte ihm skeptisch zu: er schien ungebührlich
beeindruckt von ihrer Lohnsklavenhaltung.
    »Sind sie denn nun freundlicher und hilfsbreiter als die
Nachbarn, die während eines Flugs die Erfrischungen
servieren?«, fragte ich, in Gedanken bei meiner ersten
Begegnung mit Suze.
    Boris hob die Schultern. »Vielleicht ja nicht«,
räumte er widerwillig ein. »Aber sie tun es
ständig, und zwar, um sich ihren Lebensunterhalt zu
verdienen, und dadurch wird alles viel…
intensiver.«
    »Ha!« Ich packte seinen Arm und kuschelte mich an
ihn. »Das ist pervers, weißt du«,
flüsterte ich ihm ins Ohr. »In deinem Herzen bist du
halt doch ein alter Staatskapitalist. Insgeheim spielst du schon
seit Jahren Arbeitnehmer-Arbeitgeber- Sexspielchen.«
    »Stimmt nicht«, knurrte er empört, dann
drehte er den Kopf herum und stupste grinsend meine Nase mit
seiner Nase an. »Hab leider nie eine Mitspielerin gefunden,
aber wenn du darauf scharfbist…«
    »Beschäftige dich selbst«, erwiderte ich ganz
leise. Auf den Nachbarsitzen hatte gewiss niemand die
Obszönität mitbekommen. Dee aber verfügte
anscheinend – was kaum verwunderte – über ein
außergewöhnlich gutes Gehör, denn sie blickte
sich mit einem freundlichen und durchtriebenen Lächeln zu
uns um, als wäre sie genau im Bilde. Mir brannten leicht die
Wangen, und ich sah weg.
    Der Bus glitt nun zwischen hohen Gebäuden einher. Die
Gehsteige am Fuße dieser Gebäude waren recht breit und
trotz der Abendstunde auch belebt. Der Verkehr war dichter
geworden und bewegte sich langsamer, und die Menschen auf der
Straße (und die verstörenden Quasi-Menschen, die
intelligenzverstärkten Affen, die künstlich
veränderten Hominiden und die autonomen Maschinen) drehten
sich nach uns um, starrten einen Moment in den Wagen und
wechselten dann lächelnd Blicke.
    »Woher wissen sie, dass wir im Bus sitzen?«,
fragte ich.
    Dave Reid, der auf dem Vordersitz saß, schnaubte. Er
deutete auf einen flachen grauen Bildschirm hinter dem
Fahrersitz. »Das kommt daher, dass wir…
äh… Verzeihung…« Anscheinend schnippte
er bloß gereizt mit den Fingern, aber auf einmal sah man
auf dem Monitor den Bus von hinten und oben. Ich blickte aus dem
Heckfenster und sah die uns hinterdreinfliegenden Reporter. Die
anderen lachten. »Man sollte sie besser nicht
ermutigen«, meinte Talgarth. Als ich wieder auf den
Bildschirm sah, war darauf mein Kopf in Nahaufnahme zu sehen,
dann fuhr die Kamera enttäuscht zurück.
    Die Nachrichtenmaschinen schwebten noch immer über uns,
als wir am Fuße eines Turms mit hohen, scheinbar
willkürlich verteilten Fenstern nahe dem Stadtzentrum
hielten, der einem riesigen Baumstamm aus Beton ähnelte.
Talgarth und Reid

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