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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Problemen, nach der Wiederauferstehung, neu kennen lernte…
da stellte ich fest, dass ich nicht anders konnte, als sie als
Person zu betrachten. Sie ist kein raffiniertes Imitat, kein
Flatliner, sondern eine richtige Frau, die ich liebe und die mich liebt. Und da ich wiederholt und hartnäckig
öffentlich bestritten hatte, dass sie oder andere
künstliche Personen richtige Menschen wären, hatte ich
keine andere Wahl, als meinen Irrtum öffentlich zu
bekennen.«
    Er blickte zu dem großen Foto an der Wand, dann
lächelte er wieder Dee an. »Ich habe sie
geheiratet!«
    Also das war es! Heirat bedeutete, gegenseitige
Besitzansprüche öffentlich zu machen: ein seltsamer,
uralter Brauch, der in der Union selten geworden war, hier aber
weit verbreitet war. Und Reid war diese Bindung mit der Maschine
in dem hübschen Körper und dem hübschen Kleid
eingegangen, nachdem er sie jahrelang missbraucht hatte. Ich
konnte nur hoffen, dass man mir meinen Abscheu nicht ansah.
    »Ellen«, sagte Dee, »es kommt wirklich nicht
darauf an, wie Sie über uns – und über mich
– denken.« Sie erhob sich, kam um den Tisch herum und
setzte sich unmittelbar vor mir auf die Tischkante. Ich konnte
dem Blick ihrer grünen Augen nicht ausweichen. »Ich
weiß, dass Sie mich für eine Maschine halten.
›Bloß eine Fickmaschine‹, hab ich Recht? Ich hingegen weiß, dass ich ein Mensch bin, und wenn
Sie mich länger kennen würden, dann würden Sie
feststellen, dass Sie gar nicht anders können, als mich wie
einen Menschen zu behandeln. Man kann mich nicht besitzen, man
kann mich nicht benutzen, man kann mich nicht ein- und
ausschalten. Versuchen Sie’s doch mal! Wenn Sie die Macht
hätten, mich zu unterwerfen, würden Sie schon etwas von
mir haben. Aber Sie würden nicht viel bekommen, vor allem
nicht mich. Wenn Sie aus dieser Maschine herausholen
wollen, was sie zu leisten imstande ist, dann müssen Sie die
Entscheidung darüber mir überlassen.
    Wenn ich eine Maschine bin, Ellen, dann eine, die nur dann
einwandfrei funktioniert, wenn sie frei ist.«
    Sie berührte mein Gesicht. Ich zuckte nicht zurück.
»Und das gilt auch für Sie. Also sollten wir
versuchen, nett zueinander zu sein, was meinen Sie?«
    Sie ging zurück an ihren Platz und setzte sich neben
Tamara. Ich blickte Suze an, die Dee beobachtete; dann blickte
ich zu Yeng, die zu Boden sah.
    »Ich glaube«, sagte Malley, »da hat gerade
jemand den Turing-Test bestanden.«
    Es wurde gelacht, die Spannung ließ nach. Reid fasste
Dee bei der Hand. »Den hat sie schon längst
bestanden«, sagte er.
    Dee lächelte erst ihn an, dann mich. Die Wärme ihres
Lächelns war mir ebenso unheimlich wie ihr
leidenschaftliches und überzeugendes Plädoyer für
die Rechte der Maschinen und die sanfte Berührung ihrer
Fingerspitzen. Es war in etwa so, als betrachtete man einen Zweig
oder ein Blatt, das plötzlich Flügel ausbreitete und
davonflog.
    »Also gut«, wandte ich mich an Reid, »ich
stelle fest, dass sich Ihre Ansichten zum Maschinenbewusstsein
nicht so schnell ändern werden.«
    Yeng hatte den Blick noch immer niedergeschlagen. Unvermittelt
riss sie den Kopf hoch. »Na und?«, sagte sie heftig.
»Sie können alle glauben, was Sie wollen. Den
Maschinen Bewusstsein abzusprechen, ist kein Dogma des wahren
Wissens, sondern bloß eine Meinung der Begründer
dieser Lehre, ein…« Sie schwenkte hilflos die Hand,
da ihr das passende Wort nicht einfallen wollte.
    »Ein Obiter dictum«, schlug Talgarth ernst
vor.
    Ich bezweifelte, dass Yeng den Ausdruck schon einmal
gehört hatte, dennoch nickte sie energisch. »Genau!
Etwas in der Art. Alles, was Dee gesagt hat, ist Teil des wahren
Wissens. Mit den Menschen ist es das Gleiche.
    Wenn wir das Beste aus unserem Leben machen wollen,
müssen wir aus einander rausholen, was geht, und das
bedeutet, die Menschen nicht herabzusetzen, sondern sie so zu
nehmen, wie sie sind.« Sie hielt inne und runzelte die
Stirn, als bereite ihr ein Gedanke besonderes Kopfzerbrechen. Ich
fühlte mit ihr: die durch Dees verblüffende Mimikry
hervorgerufene kognitive Dissonanz musste schmerzhaft für
sie sein. »Es sei denn natürlich, für uns springt
mehr dabei heraus, dass wir sie herabsetzen, was allerdings nicht
allzu häufig der Fall ist. Begegnen wir Maschinen, auf die
dies zutrifft, können wir damit leben.« Sie lachte
humorlos. »Das werden wir wohl auch müssen! Dies
ändert jedoch nichts an

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