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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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Robot?«
    Neuerliches Computergeplapper, dann eine menschliche
Stimme:
    »Englisch?«
    »Ja, Englisch«, sprudele ich glücklich
hervor, noch immer im Falsett, während mir ein Dialogfetzen
aus einer Space Opera in den Ohren klingt: »Ihr habt die
Sprache anhand von alten Funksprüchen gelernt,
stimmt’s? Aber sie hat sich
verändert…«
    In diesem Moment setzte die Videoübertragung ein, das
Bild aufgrund des Virenschutzes ganz körnig. Ich sehe das
Gesicht eines sehr, sehr alten Mannes. Er hat eine
Telomerbehandlung und eine ziemlich primitive Verjüngung
hinter sich, aber das war’s auch schon. Allmählich
dämmert mir, was die Sonde eben gesagt hat. Das ist kein
Abgesandter irgendwelcher Aliens, sondern etwas noch Seltsameres:
das digitale Gespenst eines entflohenen Häftlings, eine der
Geiseln der Außenweltler, die sich zwei Jahrhunderte zuvor
durchs Tor geflüchtet haben, um dem orbitalen Arbeitslager
zu entkommen.
    »Es hat sich eine Menge verändert«, sagte
ich.
    *
    Wenn ich an meine erste Begegnung mit den replizierten
Bewusstseinen von Wilde und Meg zurückdenke, brennen mir
noch immer die Ohren, und das taten sie auch in dem Moment, als
ich mich auf einem relativ einfachen Wegabschnitt nördlich
des Ealing Forest an das Ereignis erinnerte.
    Ich hatte von Anfang an eine ungefähre Vorstellung davon,
mit wem oder womit ich es zu tun hatte. Wilde hatte keine Ahnung,
wer wir waren, und wunderte sich, als wir es ihm sagten. Ich
schätze, er glaubte uns nicht. Unser wechselseitiges
Misstrauen auch nur teilweise auszuräumen, erforderte
stundenlange Unterhaltungen, gefolgt von einer unmittelbaren
Gegenüberstellung. Dann erst nahmen Wilde und Meg uns ab,
dass wir Menschen waren. Auch als wir ihnen mithilfe der von
ihnen mitgebrachten Körperzellen (die sie wie einen
Glücksbringer durch all ihre Roboterabenteuer
hindurchgerettet hatten) bereits neue Körper gezüchtet
und ihre Bewusstseine auf die neuen Gehirne übertragen
hatten, konnte ich sie noch immer nicht als Menschen betrachten.
Das, was sie berichteten, trug auch nicht dazu bei, mein
Misstrauen zu beschwichtigen.
    Wilde berichtete uns, die menschlichen und ex-menschlichen
Arbeiter wären durch ein abgespaltenes
›Tochterwurmloch‹ geflüchtet und hätten
sich auf dem so genannten Neuen Mars einigermaßen wohnlich
eingerichtet. Die upgeloadeten Bewusstseine hätten sich
wieder in Menschen verwandelt und wären
›jetzt‹ (tausende von Lichtjahren entfernt und
tausende Jahre in der Zukunft) damit beschäftigt, den Neuen
Mars mittels eines recht eleganten Terraformungsprozesses und
unter Verwendung der zahlreichen Kometen des Systems in eine neue
Erde zu verwandeln.
    Politisch betrachtet herrschte Wilde zufolge auf dem Neuen
Mars eine Freimarkt-Anarchie. Uns kam es eher vor wie eine
wechselseitige Tyrannei. Die mächtigste Persönlichkeit
war unsere ältester noch lebender Feind – ein Mann
namens David Reid, der ehemalige Besitzer der Zwangsarbeitsfirma.
Er verfügte über Kopien der gespeicherten
Bewusstseinszustände der Außenweltler und dachte in
allem Ernst daran, sie in Kürze neu zu booten.
    Stellen Sie sich unser Entzücken vor.
    *
    Ich brachte den Buggy neben einer zwei Meter hohen
Weißdornhecke, einer Art natürlichem Stacheldrahtzaun,
zum Stehen, nur wenige Schritte von der Lücke in der Hecke
mit dem Tor zum Ealing Technical College entfernt. Ich stellte
den Motor aus und blieb noch einen Moment lang sitzen, streckte
und entspannte die Muskeln, die sich während der langen und
anstrengenden Fahrt verspannt hatten, und schaute mich um. Das
Collegegebäude stammte aus der Mitte des einundzwanzigsten
Jahrhunderts, und der Stahl, der Beton und das Glas waren stabil
genug, um Druckwellen auszuhalten. Das gedrungene
dreistöckige Gebäude hatte eine viel
hinterhältigere Vernichtungsattacke weit besser
überstanden als die etwa zwei Dutzend älteren auf der
umliegenden Lichtung verteilten Bauten. Diese hatte man
längst in flache Wohngebäude mit all den üblichen
Begleiterscheinungen des unkooperativen, post-urbanen Lebens wie
Kinder, Hunde, Schweine und Scheiße umgewandelt.
    Es war etwa vier Uhr nachmittags. Die Schatten der
dreißig Meter hohen Eichen und Ulmen bedeckten gut ein
Viertel der Lichtung. Hundert Meter weiter, am Waldrand, stieg
Rauch aus einem kleinen Schuppen auf, aus dem das rhythmische Pling von Metall zu hören war; die Lowtech-Version
einer

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