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Die Cassini-Division

Die Cassini-Division

Titel: Die Cassini-Division Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken MacLeod
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singen vor Erleichterung. Ich blicke
starr geradeaus. Das Tor liegt gut sechzig Meilen entfernt, wie
immer unmittelbar in Blickrichtung, und die Zahl der ins
Sonnensystem eindringenden Schiffe, der Projektilkometen oder
Lovecraftscher Phantasie entsprungenen Wesen beträgt…
sieh mal an: null.
    »Wenn das wieder so eine Scheißübung ist,
dann…«
    »DAS IST KEINE ÜBUNG«, sagt das Schiff. Es
senkt die Stimme, während die Vergrößerung
hochgefahren wird; Linsen zoomen, Kameras klicken. »Sieh
mal.«
    Es ist winzig. Laut Anzeige hat das Objekt einen Durchmesser
von 60 Zentimetern. Bei der steuerbordseitigen
Feuerleitstelle lacht jemand. Mein erster Gedanke ist: Willkommen zu Hause, Pioneer 10! Tatsächlich
ähnelt das Ding einer alten Raumsonde mit dem Rumpf einer
Spinne und dem Verstand einer Mücke; aber (das ist mein
zweiter Gedanke) es stammt nicht von uns. Es passt in
keine der Raumschiffreihen, die Menschen je entwickelt haben (ich
kenne sie alle, so wie die Gesichter alter Freunde), und bei der
erstklassigen Instrumentierung handelt es sich unübersehbar (klick, klick) um Nanotech. Die fraktalen Tiefen
intelligenter Materie werden sichtbar, während die
Vergrößerung hochfährt und die Sonde sich uns
weiter nähert: fließende, kriechende
Oberflächen…
    Ich drücke den Ausschnitt-Schalter, worauf die Ansicht zu
einem Punkt schrumpft. Die Auflösung hat für einen
visuellen Langford-Angriff nicht ausgereicht (aber genau das
würdest du in diesem Falle denken, nicht wahr?), ich
lasse die mikroskopisch kleinen Rechner über den Ausdruck
flitzen, und sie melden in Sekundenschnelle, dass keine Gefahr
besteht. Keine fiesen Viren sind auf unsere Netzhaut
aufgetroffen, die Sehnerven entlanggerast und in unser Gehirn
eingedrungen (aber das würden sie natürlich auch
behaupten, hab ich Recht?), und die Paranoia lockt.
    Es reicht. Achte nicht auf deine Gefühle. Vertrau den
Computern.
    (Im Grunde weiß ich ja, dass der Langford-Angriff
bloß ein Virenmythos ist, der sich über die
Jahrhunderte fortpflanzt wie ein alter Witz und jedes Mal, wenn
wir der Überzeugung gemäß handeln, wenn man es
sich nur vorstellen könne, sei es auch möglich, dazu
führt, dass Ressourcen verschwendet werden. Welcher perverse
Geist denkt sich solche Dinge aus?)
    In diesem Raumsektor halten sich zwei Dutzend Raumschiffe auf,
und unmittelbar vor dem Alarm (also vor genau neunzig Sekunden)
wurde der Funkverkehr unterbrochen: totale Funkstille ist der
erste Reflex des Schiffs, die Besatzung wird erst
anschließend gewarnt. Jahrzehnte, in denen bloß hin
und wieder ein Gesteinsbrocken durchkam, jahrzehntelange
Übungen für alle vorstellbaren und einige undenkbare
Eventualitäten. Jeder Divisionsangehörige muss
mitmachen, die Probealarme erfolgen mit der
Regelmäßigkeit einer Orbitalumkreisung, und jedes Mal
wird einem eingebläut, dass man im Ernstfall ganz auf sich
gestellt ist.
    Wir stehen alle hinter dir. Aber wenn du dem Übermenschen
gegenüberstehst, ist die Reihenfolge umgekehrt: dann gilt
erstens sauve qui peut, zweitens ›Chaos‹,
drittens ›kein Pardon‹… Sie verstehen, was
ich meine. Unsere Schwerter sind ständig schartig.
    Ich bin hier, um mir meine eigenen Gedanken zu machen. In
diesem Moment streitet die glorreiche Möglichkeit des
Erstkontakts mit dem alarmierenden Gedanken, dieses Ding stamme
von unseren verschwundenen, aber allgegenwärtigen Feinden.
Die kleine Sonde ist mittlerweile zehn Meilen näher gekommen
und scheint weiter abzubremsen: auch die ausgestoßene
Reaktionsmasse deutete darauf hin, dass es sich nicht um einen
vermissten Voyager handelt.
    »Begrüßen wir sie mal«, sage ich und
löse die übliche, auf allen Frequenzen gesendete
Funkanfrage und einen Radarscan aus. Zu meiner Überraschung
erfolgt augenblicklich eine Antwort. Die Babbagerechner plappern
einen Moment, dann übersetzt mein Anzug die Botschaft:
    »Kometenbergbauschiff NK Schrägstrich
acht-sieben-eins aus Ship City an unidentifiziertes Objekt, bitte
antworten, Over.«
    Ich fasse es einfach nicht; da es sich offenbar nicht um den
Feind handelt, der uns mitteilt, Widerstand sei zwecklos etc.,
muss dies eine Sonde fremden Ursprungs sein. Zu meiner Schande
muss ich gestehen, dass mir nichts Besseres einfiel (aber konnte
ich in dem Moment überhaupt denken?), als die
Videoübertragung einzuschalten und mit bebender Stimme zu
fragen:
    »Sprichst du Angloslawisch,

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