Die Cassini-Division
wüsstest,
dass du todkrank bist«, sagt ein Außenweltler, ein
junger Mann (aber wir wirken mittlerweile alle jung), der nicht
dem von uns favorisierten Stereotyp von einem Computerfreak
entspricht, denn statt einer Vorliebe für Pizza und Coke
kultiviert er eine andere Tugend, nämlich Bodybuilding.
Sonnengebräunt, eingeölt und nackt schwebt er im
langsam rotierenden Lotussitz und stellt etwas Dynamisches und
Raffiniertes mit seinem herausspritzenden Drink an. »Wir
haben bereits Backups von den Menschen angelegt, die bei der
Bewachung von Kap Canaveral umgekommen sind, habt ihr das
gewusst?«
Er fängt eine wabbelnde Flüssigkeitskugel mit den
Lippen auf, schluckt sie hinunter und beendet die nächste
Umdrehung mit einem fragenden Lächeln.
»Und ihr wollt sie starten?«, frage ich.
»Klar«, antwortet er. »Sobald wir die
letzten Bugs aus der Software für die virtuelle Umgebung
eliminiert haben.«
Der Mann an meiner Seite lacht. »Dann versprecht ihr
euren Sklavensoldaten also das Paradies nach dem Tod! Prima Idee,
Leute, das hat schon bei Mohammed funktioniert.«
Seine zweite religiöse Anspielung veranlasst den
eingeölten Mann zu der herausfordernden Frage: »Hast
du schon mal was über die Wiederauferstehungstheorie der
AI-Befürworter gelesen? Oder einen Klassiker wie Die
Physik der Unsterblichkeit?«
»Ach, was«, meint der Bärtige. »Sich
mit so einem Scheiß zu beschäftigen, dafür ist
das Leben zu kurz!«
Der Außenweltler unterbricht die Rotation mit einem
perfekt getimten Wurf seiner leeren Trinkblase und blickt
kühl in mein feixendes Gesicht.
»Hier ist ein Gedanke daraus«, sagt er.
»Kurz genug für dich: die Weigerung, intelligente
Roboter als Menschen zu betrachten, ist gleichbedeutend
mit Rassismus.«
»Ach, ja?«, erwidert der Mann neben mir.
»Dann bin ich also ein Rassist. Ein menschlicher Rassist.«
»Macht mir nichts aus«, werfe ich ein, wohl
wissend, dass der Außenweltler die Rassismuskarte im
Hinblick auf meine dunkle Hautfarbe ausgespielt hat. Er funkelt
mich böse an.
»Hier ist noch einer – wer behauptet, menschliches
Bewusstsein lasse sich Computern nicht implementieren, findet
sich mit dem ewigen Tod für jedermann ab. Was hältst du
davon?«
»Damit kann ich leben«, sage ich. Der Mann neben
mir kichert zustimmend und fügt hinzu:
»Wenn ihr uns leben lasst.«
Der Außenweltler lächelt, blickt sich zu seinen
Kameraden um, dann wendet er sich wieder uns zu.
»Natürlich lassen wir euch leben«, sagt er.
»In Reservaten, wie die anderen interessanten Tiere. Der
eine oder andere wird euch vielleicht lieber als Haustier halten
wollen. Sentimentale posthumane Menschen werden sich zweifellos
für eure ›Menschenrechte‹ einsetzen –
einer dieser Spleens wie der Schutz der alten Wälder und der
gefleckten Eulen. Wäre es nicht viel besser, sich uns
anzuschließen und gottähnlich zu sein?«
In mir regt sich etwas. Auf einmal ist alles klar. Jetzt, in
der Rückschau, begreife ich, dass dies der Anfang der
Erweckung zum wahren Wissen war.
»Wir sind gottähnlich!«, fauche ich. »Wir sind hier das mächtigste Raubtier. Ihr
könnt euch meinetwegen in Maschinen verwandeln, aber dann
werdet ihr tot sein, während wir weiterleben und euch wie
Maschinen behandeln werden. Wenn wir euch nicht benutzen
können, werden wir euch zerschmettern!«
»Falls ihr dazu in der Lage seid«, erwidert
er.
Ich blicke ihn herausfordernd an. »Wenn wir dazu in der
Lage sind.«
Er schwenkt herablassend die Hand und wendet sich ab.
Der Mann neben mir vollführt einen Salto, schwebt vor
mich hin und breitet grinsend die Arme aus. Ich glaube, das ist
als eine Art Salut gemeint.
»Das war stark«, sagt er.
»He, was du da gesagt hast, hat mir gefallen«,
erwidere ich. ›Das ist Ekstase für
Computerfreaks!‹
Wir lachen wie über einen alten Witz und stellen uns
einander vor. Er heißt Tony Girard, gehört dem
Management der Raumstation an und soll den
Außenweltleranteil an den Bewohnern im Auge behalten. Die
Beziehung zu ihnen ist von großer Bedeutung – die
Station wurde mit den neuen Raketenantrieben in eine höhere
Umlaufbahn gebracht. Die Antriebe sehen aus, als bestünden
sie aus im Spritzgussverfahren verarbeitetem Diamant und wurden
von den Außenweltlern nanotechnisch hergestellt. Trotzdem
kommt er nicht umhin, sich mit ihnen zu streiten.
»Wenn sie meinen, wir wären böse, muss ich
ihnen zustimmen«,
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