Die Cassini-Division
sagt er.
»Aber das sind wir nicht!«, wende ich ein.
»Von unserem Standpunkt aus betrachtet nicht. Von ihrem
aus schon. Wir sind Reaktionäre, Konter-Evolutionäre,
die vor der nächsten Entwicklungsstufe
zurückschrecken.«
»Ja – vor der Auslöschung!«
Ich denke über das Bösesein nach. In ihren Augen,
wird mir klar, sind wir tatsächlich böse und
gefährlich, aber für uns – bei diesem
Gedanken stockt mir der Atem – sind wir weder böse
noch gefährlich, und nur darauf kommt es an. Solange wir
tatsächlich zu unserem eigenen Nutzen handeln, ist es
gleichgültig, was wir unseren Gegnern zufügen. Unsere
Föderation werden sie als das Reich des Bösen, als das
Imperium der dunklen Herrscher betrachten, und ich werde eine
dunkle Herrscherin sein. Die Menschheit ist von jedem
nichtmenschlichen Standpunkt aus betrachtet tatsächlich
böse. Ich hülle mich mit einem Freudenschauder in meine
menschliche Bösartigkeit.
Als ich Tony davon erzähle, nickt er zustimmend.
»Das ist ausgesprochen befreiend«, sagt er.
»Die Cowboys mit den schwarzen Hüten.« Er zieht
einen imaginären sechsschüssigen Revolver, wirbelt ihn
um den Finger und legt ihn an. (Wie wir alle besitzt auch er eine
Waffe.) »Erspart uns eine Menge Seelenerforschung. Solange
man nicht die eigene Seite trifft, handelt man
richtig.«
»Vielleicht sind wir die Indianer. Die
Eingeborenen.«
Das gefällt Tony. »Stimmt«, meint er.
»Dazu verdammt, tapfer zu sein. Der Hemmschuh des
technischen Fortschritts. Wir verschießen Pfeile auf die
stählernen Rösser des Schicksals.«
»Das sind ja solche Mechanisten«, sagte ich.
»Ja«, meint er. »Und deshalb ziehe ich sie
so gerne auf.«
Ich musste so sehr lachen, dass ich mich an ihn anklammerte,
und später im Laufe dieses Tageszyklus kam es zu unserem
ersten betrunkenen Schnellfick.
*
Ich lächelte Tony vielleicht ein wenig herzlicher als
gewöhnlich an, stand auf und fing Yengs Blick auf, dann
blickte ich rasch zu dem Tisch hinüber, an dem sich Malley
und Suze gegenübersaßen. Yeng nickte. Wir nahmen
unsere Tabletts und gingen hinüber.
»Was dagegen, wenn wir uns dazusetzen?«
Malley blickte Suze an. »Keineswegs«, sagte
er.
Ich setzte mich neben Malley, und Yeng nahm neben Suze auf der
Bank Platz und lächelte sie an. Suze blickte auf ihren
Teller nieder, dann schaute sie hoch.
»Wir möchten euch eine Frage stellen«, sagte
Suze. »Ich gehöre der Union an, er ist ein NiKo, und
zufällig haben wir beide die gleiche Frage. Ganz
unabhängig voneinander.«
»Okay«, sagte ich.
»Wärt ihr bereit, zumindest eine Kontaktaufnahme
mit den Jupiteranern zu versuchen, bevor ihr sie vernichtet?
Wärt ihr bereit, zumindest den Versuch zu unternehmen, zu
einer Vereinbarung zu kommen?«
Bei der Vorstellung, Kontakt mit den Jupiteranern aufzunehmen,
bekam ich eine Gänsehaut; gleichzeitig aber erschien es mir
auch reizvoll. Das damit einhergehende Risiko appellierte an
meine Tollkühnheit, mein Hass auf die Jupiteraner weckte
meine Neugier, herauszufinden, was sie wirklich waren, und vor
allem waren wir auf Malleys Unterstützung angewiesen, wenn
wir das Malley Mile passieren wollten. Das gab den Ausschlag.
Yeng setzte zu einer Bemerkung an, ich aber hieß sie mit
einem Blick schweigen.
»Wir werden darüber nachdenken«, sagte ich.
»Ich kann natürlich nicht für die Division als
Ganzes sprechen, aber ich würde nicht sagen, dass es
ausgeschlossen ist. Warum?«
»Die Zusammenarbeit mit Ihnen fiele mir erheblich
leichter«, sagte Malley, »wenn ich wüsste, dass
die Jupiteraner eine reale Bedrohung darstellen. Eine
unmittelbare Gefahr. Und darüber können wir uns nur
dann Gewissheit verschaffen, wenn wir mit ihnen in Verbindung
treten.«
Suze nickte zustimmend. »Wenn die Menschen auf der Erde
dahinterkommen, was ihr hier tut, wozu es sicherlich kommen wird
– ihr wollt sie vorher doch sicherlich einweihen, oder?
–, dann werden sie ebenfalls Gewissheit haben wollen. Es
wäre eine verdammte Schande, Maschinen auszurotten –
falls es denn wirklich bloße Maschinen sind –, die
uns nützlich sein könnten und die möglicherweise
die einzigen Freunde wären, die wir im ganzen Universum
haben. Und wenn sie nun tatsächlich Götter sind, aber
Götter auf unserer Seite?«
Dann ist Suze also eine Beschwichtigerin, dachte ich
bekümmert und fragte mich erneut, ob sie nicht vielleicht
eine auf mich angesetzte Spionin
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