Die Cassini-Division
geweckt – und ihnen obendrein
gezeigt, wie reizvoll und einnehmend die Jupiteraner sein
konnten. Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass Malleys
Zusammenarbeit auf lange Sicht für uns von ausschlaggebender
Bedeutung sei.
Bei der Beratung des Kommandokomitees war die
Öffentlichkeit allein wegen der Virusgefahr ausgeschlossen
worden. Als diese nicht mehr bestand, war die Sitzung so
öffentlich wie alle unsere Sitzungen, und sämtliche
Entscheidungen waren der Division frei zugänglich. Der
Krisenraum sollte jedoch nach wie vor als Kommunikationszentrum
dienen. Für die Dauer der Kontaktaufnahme sollte er isoliert
werden.
Malley war natürlich froh über die Entwicklung und
brannte darauf, seine Untersuchungen am Wurmloch fortzusetzen.
Suze wirkte ebenfalls erfreut und auch ein wenig erleichtert
darüber, dass ich weder ihr noch den anderen gegenüber,
die anderer Meinung waren, Feindseligkeit an den Tag legte. Ich
nahm meine Abstimmungsniederlagen mit Würde hin. Inwendig
kochte ich, doch um derlei Emotionen in den Griff zu bekommen,
braucht es keine zweihundert Jahre. Das hatte ich schon in meiner
Jugend gelernt. (In meiner späten Jugend, muss ich
gestehen.)
Für andere Leute gilt das Gleiche. Tatsuro war nicht
umsonst Vorsitzender geworden. Zum Abschluss der Sitzung sagte er
versöhnlich:
»Ellen, Sie sind offenbar nicht sonderlich erpicht
darauf, an den Verhandlungen teilzunehmen, und können nur
wenig zur wissenschaftlichen Auswertung der Beobachtungsdaten
beitragen. Darf ich vorschlagen, dass Sie bis auf Weiteres mit
Dr. Malley zusammenarbeiten und ihm hinsichtlich des
Navigationsproblems tatkräftig zur Seite stehen?«
Ich willigte natürlich ein, und die anderen waren hoch
zufrieden damit, dass ich eine mir genehme Beschäftigung
gefunden hatte, anstatt ständig den Bremser zu spielen.
»Es gibt viel zu tun«, sagte Tatsuro. »Ich
schlage vor, dass sich die Besatzung der Terrible Beauty erst einmal ausruht. Sie sind sicherlich ein wenig
erschöpft, Ellen. Fangen Sie morgen zusammen mit Dr. Malley
mit der Arbeit an.«
Ich nickte lächelnd. Als wir uns zum Gehen anschickten,
wandte mir Tatsuro das Gesicht zu. Er zwinkerte so, dass nur ich
es sehen konnte, und da wusste ich, dass unsere Vereinbarung nach
wie vor Bestand hatte.
*
Suze blieb mit Malley zurück, der an einer Workstation am
Ende des Raums seine Beobachtungen fortsetzte. Der Rest der
Besatzung begab sich zu der Suite, die man uns zugeteilt hatte,
obwohl einige von uns sicherlich noch ausgehen würden. (Der
Tag-Nacht-Rhythmus in den Höhlen von Callisto hatte keinen
Bezug zur Rotationsdauer, sondern folgte der Standardzeit, die
auch bei uns an Bord galt. Für viele hatte er auch nicht
viel Bezug zu ihrem Schlafrhythmus, der von stets wechselnden
Arbeitsschichten abhängig war und durch Muntermacher
beeinflusst wurde. Die Wirksamkeit dieser Drogen war
beschränkt: der 24-Stunden-Rhythmus war so tief in unsere
Zellen eingebrannt, dass unsere genetischen oder pharmazeutischen
Manipulationen nicht heranreichten, und das Schlafbedürfnis
unseres Gehirns ist – obwohl es sich im Laufe der Evolution
erst spät herangebildet hat – noch weniger
beeinflussbar.)
Ich ließ die anderen an mir vorbei eintreten, dann
schloss ich hinter mir die Tür und lehnte mich dagegen. Die
Suite war noch im gleichen unaufgeräumten Zustand wie bei
unserem Aufbruch vor drei Wochen. Die herumliegenden
Kleidungsstücke und das schmutzige Geschirr waren in unserer
Abwesenheit zweifellos gewissenhaft gereinigt worden, und das war
gut. Die Pflanzen waren entstaubt und gegossen worden. Die
niedrige Decke leuchtete im vertrauten trüben Abendlicht,
die Küche summte leise vor sich hin, und die Schlafzimmer
seufzten einladend. Die Mailbox bewahrte ein höfliches
Schweigen; obwohl sie wahrscheinlich vor Nachrichten von
Kollegen, Freunden, Eltern und Nachkommen schier aus den
Nähten platzte, nahm sie davon Abstand, uns gleich beim
Nachhausekommen daran zu erinnern. Ich musterte Boris, Yeng,
Tony, Andrea und Jaime.
»Ich weiß nicht, wie ihr das seht,
Genossen«, verkündete ich, »aber ich habe keine
Lust auf lange Diskussionen. Es war ein langer Tag, ein langer
Flug, und wir brauchen alle etwas Erholung. Ich habe Lust auf
einen starken Drink, eine Unterwassermassage und etwas Sex. In
jeder beliebigen Reihenfolge oder alles auf einmal, und
öfter als einmal.«
»›If‹, ›Else‹ und
Weitere Kostenlose Bücher