Die Cassini-Division
Die
biomedizinischen Labors, auf denen alle Hoffnungen ruhten, werden
abgefackelt. Die Grünen führen den Mob an und nutzen
die Gelegenheit, den unbegründeten Verdacht von sich
abzulenken. Ich bin zu dem Zeitpunkt fest davon überzeugt,
dass die Grünen den Tod wissentlich herbeigeführt
haben, um ihrer bösen Göttin Gaia ein Opfer
darzubringen.
Und während die furchtbare Warnung vor den Folgen dieses
Denkens, das wir alle stets bekämpft haben, in
gespenstischen und beunruhigenden Einzelheiten unsere Monitore
beherrscht, verbünden sich in der Not die beiden Faktionen
der Weltraumbewegung, Erdfreunde und Außenweltler, um den
zukünftigen Herausforderungen zu begegnen… Nein. Wir
streiten uns wegen der Ressourcen, wir stehen kurz davor, um die
Ressourcen zu kämpfen – vor allem um Wasser.
Wir leiten die gesamte Sonnenkraft, die wir erübrigen
können, in die Kondensatoren der Hochenergielaser. Wir
überprüfen unsere Atomsprengköpfe.
Die Außenweltler sind – durchaus passend –
von dem alten erdnahen Kampfsatelliten, auf dem ich nach wie vor
lebe, längst abgezogen oder wurden hinausgedrängt.
Jetzt befinden sie sich in Lagrange 4 – aus Gründen,
die sich nur aus der Tradition der Weltraumbewegung heraus
erklären lassen, haben sich die meisten traditionellen
Anhänger der Weltraumbewegung am anderen Lagrange-Punkt
niedergelassen, in L5 –, wo sie die Flotte für den
Flug zum Jupiter bauen; und sie betreiben Bergbau auf dem
Mond.
Das ist einer der Konfliktgründe. Sie wollen das
Polwasser des Mondes für ihre Expedition haben. Wir brauchen
es zum Überleben – im Asteroidengürtel gibt es
genügend Eis, doch der Transport über den
Transfer-Orbit ist eine mühselige Angelegenheit. Das
Aushandeln von Nutzungsrechten für das Mondeis wäre
selbst dann haarig gewesen, wenn sich beide Seiten von den besten
Absichten hätten leiten lassen und man auf ein
funktionierendes Rechtssystem hätte zurückgreifen
können. (Entdeckerrechte? Erste Nutzung? Gegenwärtiger
Besitzer? Zählt die erste Satellitenortung? Die erste
Landung? Die erste Erkundung? Die erste Förderanlage?) In
jener unbedarften Zeit waren wir alle Experten in der
liberalistischen Theorie vom Eigentumserwerb – das Problem
dabei ist, dass jeder Besitzanspruch auf mindestens eine honorige
Theorie verweisen kann, die von einer Schwadron
unterbeschäftigter, bewaffneter Rechtsexperten vertreten
wird.
Ich mache mir Sorgen wegen der polaren Förderanlagen auf
dem Mond, denn meine Eltern – mit denen ich Kontakt halte,
obwohl wir seit Jahrzehnten nicht mehr dieselbe Luft geatmet
haben – leiten eine davon im Namen einer Firma der alten
Weltraumbewegung.
In der Zwischenzeit verbrauchen wir – die Erdfreunde
– die Ressourcen im donquichottischen Bemühen,
orbitale Medizintropfen herzustellen (die nicht so wirkungslos
sind, wie es klingen mag – wir werfen medizinische Nanofabriken ab), die Militärkräfte, die das
Label ›Schurken der Woche‹ verdient zu haben
scheinen, zu vernichten (ein großer Fehler) und die
Kommunikationssatelliten, die ansonsten einfach kaputtgehen
würden, lahm zu legen (ein kluger Schachzug, abgesehen
davon, dass die Schurken, siehe oben, das Gleiche tun). Und die
Außenweltler beanspruchen unter Rückgriff auf jeweils
die Eigentumstheorie, die ihnen gerade in den Kram passt,
zumindest einen Teil der Ressourcen, die wir angeblich für
die geplagte Erdbevölkerung verschwenden. Beispielsweise
haben sie uns geholfen, diese Station in ihre gegenwärtige
Umlaufbahn zu hieven; wir haben sie dafür bezahlt, jetzt
aber fordern sie Miete für die Umlaufbahn, und zwar
rückwirkend, mit Zins und Zinseszins.
»Scheiß-Eigentumsrechte«, sage ich zu Tony,
mit Blick aufs Fernradar. »Da könnte man doch glatt
zum Kommunisten werden.«
Wir sitzen einander gegenüber in einem der
Stationsmodule, das kaum genug Platz für uns beide bietet,
vom Gewirr der Kabel und Rohre und der umherschwebenden
veralteten Ausrüstung ganz zu schweigen, und blicken auf den
Bildschirm hinter unserem jeweiligen Gegenüber.
Draußen arbeiten Leute an der offenen Luke des Moduls und
bewegen sich langsam in der trägen, abgestandenen Luft.
»Ha!« Tony wendet den Blick nicht vom Computer ab,
auf dem er Loyalitätschecks der
achthundertsechsundfünfzig Beschäftigten abgleicht.
»Du bist schon Kommunist, Ellen, du weißt es
bloß nicht. Wann hast du jemals für dein Essen
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