Die Champagnerkönigin
auf den Mund. »Während ich die Fahrräder verlade, passt du auf den Rest auf, ja?«
Ihre beiden großen Kleiderkoffer, die Reisetasche mit ihren persönlichen Dingen, dazu mehrere Bündel, die Leon gehörten – niemand konnte behaupten, dass sie mit leichtem Gepäck reisten, dachte Isabelle bei sich, während Leon ihre beiden Fahrräder ins Gepäckwarenabteil hievte. Wenigstens mussten sie nicht umsteigen, der Zug würde sie über Neunkirchen und Saarbrücken direkt bis nach Metz bringen. Von dort aus in Richtung Verdun und dann weiter nach Reims würden sie allerdings mit der Pferdekutsche reisen – durch die ausgedehnten französischen Waldlandschaften fuhr keine Eisenbahn. Leon rechnete damit, dass sie Reims morgen Nachmittag erreichten. Wo sie die Nacht verbringen würden, stand noch in den Sternen.
Zum wiederholten Male tastete Isabelle nach ihrer Handtasche, in der sie nicht nur Leons und ihren Reisepass trug, sondern auch ihren Schmuck, den sie einst aus Berlin mitgenommen hatte: mehrere wertvolle Perlenketten und Diamantringe, ein Paar Rubinohrringe, ein Paar Saphirohrhänger, sehr schöner Granatschmuck, Armreife in Gold und Silber. In Isabelles Augen hatte sie sich diese »großzügigen Geschenke« ihres Vaters redlich dadurch verdient, dass sie seinen Wünschen gefolgt war und sich auf dem Heiratsmarkt hatte präsentieren lassen wie ein Stück Vieh. Von daher hatte sie nicht eine Sekunde in Erwägung gezogen, den Schmuck in ihrem Elternhaus zurückzulassen. Doch in Nothzeit hatte Isabelle keine Gelegenheit gehabt, den Schmuck zu tragen, stattdessen hatte sie ihn unter dem Bett verwahrt, als eine Art Notgroschen, von dem sie hoffte, dass sie ihn niemals würde anrühren müssen.
Nothzeit … Diesem Ort weinte sie nun wirklich keine Träne nach. Aber nach der Nothzeit folgte nun hoffentlich eine bessere Zeit.
Übermütig zog Isabelle eins der länglichen Schmucketuis aus der Tasche. Mit sicherem Griff legte sie sich die Kette mit den roséfarbenen Perlen um den Hals. Warum nicht angemessen hergerichtet reisen? Einen Notgroschen hatten sie nun schließlich nicht mehr nötig.
Die Fahrt verlief ohne größere Ereignisse. Der Zug war nur zur Hälfte belegt, die meiste Zeit hatten sie ihr Abteil für sich und konnten sich ungestört unterhalten.
»Es kommt mir alles noch immer so unwirklich vor! Du und ich auf einem eigenen Champagnerweingut. Ich kann mir nicht richtig vorstellen, was uns dort erwartet«, sagte Isabelle, während der Zug durch die letzten Ausläufer des Pfälzer Waldes fuhr. »Was glaubst du, wie wird unser zukünftiges Leben aussehen?« Es war nicht das erste Mal, dass sie Leon diese Frage stellte. Eine zufriedenstellende Antwort hatte sie bisher nicht bekommen, ihr Mann war stattdessen äußerst vage geblieben. Doch nun würde sie nicht lockerlassen!
»Wie wird unser zukünftiges Leben aussehen …«, wiederholte Leon. »Nun, ganz einfach – wir werden Champagner verkaufen und dabei richtig reich werden!« Er strahlte sie an, als wäre er mit seiner Antwort hochzufrieden. »Und Hilfe haben wir dabei auch. In einem kleinen Haus am Ende des Grundstücks wohnt ein alter Mann mit dem Namen Claude Bertrand. Er ist, oder besser gesagt war Jacques Verwalter und hat überall auf dem Hof nach dem Rechten gesehen. Ich weiß noch, wie erstaunt ich war, als der Mann mich in ziemlich gutem Deutsch angesprochen hat. Seine Vorfahren stammen aus dem Elsass, seine Mutter war Deutsche, sein Vater Franzose, hat er mir erklärt, und dass im Elsass viele Menschen zweisprachig aufwachsen würden. Der Mann ist bestimmt froh, wenn wir ihn weiterbeschäftigen. Jedenfalls habe ich ihm letzte Woche geschrieben und unser Kommen angekündigt.«
»Daran hast du gedacht?«, fragte Isabelle ungläubig.
»Auch wenn mein Vater das glaubt – ganz blauäugig fahre ich der Champagne nicht entgegen«, sagte Leon kühl. »Einen Kellermeister gibt es übrigens auch, an seinen Namen erinnere ich mich nicht mehr. Ein komischer Kauz, er hat nur ein Auge und einen krummen Buckel …«
Isabelle hörte gespannt zu. Die Aussicht auf schon vorhandenes Personal, das ihre Ankunft erwartete – und zudem noch Deutsch sprach –, erleichterte sie ungemein.
»Und gibt es auch eine Magd? Oder sonst eine Hilfe im Haus?«, sagte sie in so beiläufigem Ton wie möglich. In Leons Augen war es selbstverständlich, dass eine Frau sich im Haushalt betätigte, ganz gleich, welchen Interessen sie sonst noch nachging. Dass dies für eine
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