Die Champagnerkönigin
Baritonstimme gehörte Annikas Ehemann.
»Oscar …« Annika schob geschäftig Gläser und Champagnerflasche hin und her.
»Auf, scher dich in die Küche! Dort wartet Arbeit auf dich«, herrschte der Mann seine Frau an. Es folgte ein schneller Wortwechsel auf Französisch, den Leon nicht verstand und auch nicht verstehen wollte. Nachdem Annika schmollend abgerauscht war, räusperte er sich.
»Monsieur, ich bin gekommen, um meinen Feininger-Champagner zu präsentieren. Vielleicht mögen Sie an Stelle Ihrer Frau eine Kostprobe machen? Ich –«
»Den Champagner, den ich hier ausschenke, suche ich immer noch selbst aus«, unterbrach der Mann ihn unfreundlich. Er hob Leons Rucksack vom Boden auf und stieß ihn Leon gegen die Brust. »Verschwinden Sie, aber schnell!«
Verärgert bestieg Leon sein Rad. Alles war so gut gelaufen, bestimmt hätte er an Annika eine Menge Champagner verkauft, wäre ihr Mann nicht dazugekommen.
»Feininger-Champagner? Noch nie gehört. Wir schenken seit ewigen Zeiten Veuve Clicquot Ponsardin aus. Aber Sie können ja mal ein, zwei Flaschen dalassen …«
»Feininger? Gegen den Alten habe ich mal beim Würfelspiel verloren. An seinem Champagner hab ich kein Interesse.«
Noch ein Restaurant, dann würde er erst einmal eine längere Strecke fahren. Die Gastwirte bei ihrem florierenden Mittagsgeschäft zu stören war sicher keine gute Idee. Mit diesem Gedanken öffnete Leon die Tür des Chez Antoine .
»Feininger? Ich dachte, das süße Zeug gibt’s gar nicht mehr«, sagte der Wirt, während er geschäftig die letzten Tische eindeckte.
Leon breitete seine Arme weit aus. »Natürlich gibt es den! Vor Ihnen steht Leon Feininger, wie er leibt und lebt. Und hier … unser vorzüglicher Feininger-Champagner!« Schon zog er eine der lauwarm gewordenen Flaschen aus seinem Rucksack.
»Den können Sie gleich wieder einpacken«, sagte der Wirt. »Meinen Gästen kann ich solch eine süße Limonade nicht vorsetzen – bei uns sind trockene Champagner gefragt, in der Art, wie Trubert sie macht.«
»Nun, die Geschmäcker sind verschieden«, sagte Leon und packte die Champagnerflasche wieder ein. Er war schon im Gehen begriffen, als ihm noch etwas einfiel.
»Wir verkaufen auch Eier. Vorzügliche Eier. Können Sie die vielleicht für Ihre Küche brauchen?«
Kraftvoll säbelte Isabelle eine Scheibe nach der anderen von der Dauerwurst ab, die sie in der Speisekammer gefunden hatte. Die Wurstscheiben drapierte sie in einem Halbkreis auf einen Teller, auf dem auch schon Stücke eines harten Käses sowie ein wenig Trockenobst lagen.
Zufrieden betrachtete sie ihr Arrangement. Wie war das mit dem Propheten und dem Berg? Sie hatte zwar kein Geld, um Gäste einzuladen, aber jemanden besuchen gehen, das konnte sie! Auch wenn dies bedeutete, dass sie eigens dafür einen deutschen Brauch hatte erfinden müssen. Lächelnd hob sie den Teller in einen Korb, in dem sich auch schon zwei Flaschen Champagner und etliche Gläser befanden – ihr Begrüßungsgeschenk. Im Flur warf sie noch einen Blick in den goldumrahmten Spiegel, schob die Perlenkette, die sie sich umgelegt hatte, zurecht und ging dann leichten Schrittes aus dem Haus.
Sie hatte Glück. Gleich auf ihr erstes Klopfen wurde die Tür des Nachbarhauses geöffnet, eine ältere Frau mit graublondem Haar, grauen Augen und gestrengem Blick schaute heraus. Sie trug eine Schürze und hatte nasse Hände.
» Oui? «, sagte sie kurz angebunden, als wäre sie über die Störung nicht gerade erfreut.
Unwillkürlich machte Isabelle einen Knicks, wie früher bei den Lehrerinnen ihrer Schule.
»Mein Name ist Isabelle Feininger. Ich bin Ihre neue Nachbarin und bin gekommen, um mich vorzustellen.« Einladend hielt sie der Frau den Teller mit Käse und Wurst entgegen. »Bedienen Sie sich!«
Die Frau starrte auf den Teller. »Sie bringen uns etwas zu essen?«
»Eine deutsche Sitte, mit der man sich in der neuen Nachbarschaft bekanntmacht«, log Isabelle. »Natürlich werden wir auch noch ein Einstandsfest für alle Nachbarn geben. Doch zuerst müssen wir uns ein bisschen einleben und dann …« Ihr Lächeln versiegte, auf einmal kam sie sich mit ihren Gaben lächerlich vor.
Die ältere Nachbarin wischte ihre rechte Hand an ihrer Schürze ab, dann hielt sie sie Isabelle entgegen. »Ich bin Marie Guenin. Es passt zwar gerade nicht besonders, aber kommen Sie doch am besten erst einmal herein.«
In der Küche traf Isabelle auf eine weitere Frau. Sie saß auf einem Stuhl
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