Die Champagnerkönigin
gehen. Jetzt kannst Du allen zeigen, was in Dir steckt, nicht wahr?
Du warst schon immer eine aufmerksame Zuhörerin, dachte Isabelle gerührt.
Ich vermisse Dich allerdings schrecklich, Dich und unsere liebe Josefine, die übrigens auch nur noch selten Zeit für ein Treffen hat, schrieb Clara weiter. Sei mir nicht böse, wenn ich Dir folgendes Geständnis mache: Ich hatte eigentlich angenommen, dass Du der Pfalz bald den Rücken kehren und nach Berlin zurückkommen würdest. Ich habe mich nämlich in der Bibliothek schlaugemacht und gelernt, dass die Pfalz eine sehr ländliche, um nicht zu sagen rückständige Ecke des deutschen Kaiserreichs ist. Das kann man von der Champagne bestimmt nicht behaupten, schließlich kommt von dort doch das berühmteste Getränk der Welt! Bestimmt wirst Du nie mehr fortwollen, was wiederum bedeutet, dass Josefine und ich Dich irgendwann einmal besuchen kommen müssen. Nun, es gibt bestimmt Schlimmeres …
Ein Besuch von ihren beiden Freundinnen? Isabelles Herz klopfte sogleich schneller. Das wäre wunderschön!
Im nächsten Moment wurde ihre Aufmerksamkeit von einer Kutsche in Beschlag genommen, die eilig die Straße hochfuhr. Das Gespann nahm die Kurven so schnittig, dass der Postbote, der gerade vor Ghislaines Haus stand, zur Seite sprang, um nicht unter die Räder zu kommen.
Welcher Rüpel fährt so rücksichtslos hier herauf?, dachte Isabelle ärgerlich, als die Kutsche auch schon vor ihrer Haustür zum Halten kam. Fragend runzelte sie die Stirn. Sie erwartete doch gar keinen Besuch …
Sie erkannte die elegant gekleidete und nach Rosenwasser duftende Dame sofort wieder – es war dieselbe, die neulich in dem Restaurant in Reims schmuckbehangen am Nebentisch gesessen und ungewollte Ratschläge zur Champagnerwahl erteilt hatte. Und nun sahen sie sich hier wieder. Was hatte das zu bedeuten? Ob die Frau auch sie wiedererkannte? Falls ja, gab sie sich keine Blöße.
»Mein Name ist Henriette Trubert. Ich bringe Ihnen Brot und Salz, damit wünschen wir jemandem viel Glück im neuen Zuhause – eine alte Tradition von uns Champenois .«
Henriette Trubert vom gleichnamigen Weingut? Die Frau, die ihnen ihre amerikanischen Kunden abgeworben hatte? Was wollte die Winzerin von ihr? Unwirsch nahm Isabelle das Baguette, in dessen Mitte ein tönerner Salztopf eingebacken worden war, entgegen.
»Möchten Sie auf einen Sprung hereinkommen?«, fragte sie der Höflichkeit halber, hoffte jedoch im selben Moment, dass die andere ablehnen würde.
»Sehr gern«, sagte Henriette Trubert und lächelte mit gebleckten Zähnen.
»Haben Sie sich gut eingelebt? Das Leben in der Champagne muss doch ein völlig anderes sein als das in Berlin, oder ?«
Woher wusste die Nachbarin, dass sie aus Berlin stammte?, fragte sich Isabelle, während sie die Frau über den Rand ihrer Kaffeetasse anschaute.
»Mein Mann und ich fühlen uns sehr wohl in Hautvillers. Bis auf einige … Unwägbarkeiten ist das Leben hier sehr romantisch«, erwiderte sie spröde.
»Romantisch?« Henriette Trubert hob spöttisch die Augenbrauen. »Das ist sehr schön für Sie, Madame. Ich hingegen kenne Weinbergromantik nur von irgendwelchen verklärenden Ölgemälden, deren Maler niemals auch nur eine Traubenernte mitgemacht haben. Dass die Herstellung von Champagner eine ganzjährige Qual ist, werden Sie bald am eigenen Leib merken: Im Frühjahr hat man Angst vor späten Frösten, die die Knospen der Reben zerstören. Im Sommer hat man Angst vor Unwettern mit Hagel, später im Jahr betet man, dass der Kellermeister die perfekte Cuvée finden möge. Und wenn der Champagner in einem Jahr wirklich gut gelungen ist, betet man dafür, dass kein Krieg ausbricht, der einem die Geschäfte verhagelt.« Sie machte eine resignierende Handbewegung. »Wir sind wie Sklaven, nicht unser eigner Herr! Und als wäre das nicht schon genug, sitzt einem auch noch ständig die Konkurrenz im Nacken.«
Das sagte ja die Richtige! Isabelle schnaubte. »Da wir gerade beim Thema sind … Könnten Sie mir bitte erklären, was sich Ihr Handelsvertreter dabei gedacht hat, unsere amerikanischen Kunden abzuwerben? In meinen Augen ist das nicht gerade die feine Art.« Normalerweise war es nicht ihre Angewohnheit, derart mit der Tür ins Haus zu fallen. Doch Madame Trubert schien ihr ein Mensch zu sein, der auf subtile Hinweise nicht reagierte.
Henriette seufzte tief auf. »Da haben Sie völlig recht, Kindchen, aber leider ist so etwas hier gang und
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