Die Champagnerkönigin
Brauen schaute sie auf Isabelles nahezu unberührten Teller.
»Es hat Ihnen nicht geschmeckt? Wahrscheinlich sind Sie nur fade Kartoffelgerichte gewöhnt.« Die Verachtung in ihrer Stimme war nicht zu überhören. »Am besten stellen Sie sich darauf ein, dass noch einiges mehr für Sie unverdaulich sein wird.«
11 . Kapitel
»Es war ein wunderbarer Abend. Wir haben Wein getrunken und geplaudert …« Micheline Guenin seufzte schwärmerisch. »Claude ist ein so guter Erzähler, ich könnte ihm stundenlang zuhören.«
Schmunzelnd schaute Isabelle vom Waschbottich zu ihrer Nachbarin, die am Fenster lehnte. Micheline hörte sich an wie ein verliebtes junges Mädchen!
Am Morgen war sie kurz bei den Schwestern Guenin gewesen, um sich ein Stück Seife auszuleihen. Der Korb mit der Schmutzwäsche quoll über, und sie konnte die Wascharbeit nicht länger aufschieben, so gern sie dies auch getan hätte. Zu ihrer Freude hatte Micheline angeboten, ihr beim Wäschewaschen zu helfen. Seit ihrer Ankunft in Isabelles Haus schwärmte die ältere Dame nun von ihrem Abend im Le Grand Cerf. Das Bild, das sie dabei von Claude Bertrand malte, war ein völlig anderes als jenes, das Isabelle von ihrem Verwalter hatte. Claude Bertrand rezitierte Gedichte? Sein hintersinniger Humor ließ Micheline die Lachtränen über die Wangen rinnen? Nun, die Schönheit lag stets im Auge des Betrachters, hieß es nicht so?
So wunderbar der Abend für Micheline Guenin verlaufen war, so frustrierend war er für Isabelle gewesen. Zuerst das feindselige Gehabe der Wirtin, das sie sich nicht erklären konnte. Und dann auf dem Nachhauseweg noch Leons Mitteilung, dass der Handelsvertreter von Trubert allem Anschein nach ihre amerikanischen Kunden abgeworben hatte. Isabelle glaubte, nicht richtig zu hören. Was für eine Unverschämtheit, was für ein Affront! Am liebsten wäre sie sofort zu den Truberts gegangen und hätte sie zur Rede gestellt.
Bis in die Nacht hatten sie noch in Jacques’ Büro zusammengesessen und darüber debattiert, was das für sie bedeutete. Während Leon bereit war, die amerikanischen Kunden erst einmal abzuschreiben und sich lieber Abnehmer in der Gegend zu suchen, mochte sich Isabelle nicht so schnell geschlagen geben. Sie wollte allen Kunden einen erklärenden Brief schreiben und darum bitten, die Handelsbeziehungen wieder aufnehmen zu dürfen. In der Zwischenzeit konnte Leon in Frankreich auf Kundenfang gehen. Mit diesem Plan war sie müde, aber ein wenig beruhigt gegen zwei Uhr endlich eingeschlafen.
Die Luft in der Waschküche war so stickig heiß, dass Isabelle der Schweiß von der Stirn perlte. Mit feuchtnassen Händen rüttelte sie am Fenster. Außer dass sie sich einen Fingernagel abbrach, geschah nichts. Hatte Leon das nicht gestern reparieren wollen? Sie seufzte und notierte sich in Gedanken, nach der Wäsche die Reparatur selbst, so gut es ging, durchzuführen.
»Soll ich noch mehr Seife ins Wasser geben, oder schäumt die Lauge schon zu sehr?«, fragte sie und schaute rätselnd auf den Bottich mit der trüben Brühe, in der ihre hauchzarten Höschen und Leibchen wie bäuchlings treibende Fische umherwaberten. Als von Micheline, die verträumt aus dem Fenster starrte, keine Antwort kam, griff sie beherzt zur Scheuerbürste, um die Wäsche damit zu bearbeiten, so wie sie es bei Irmi, der Dienstmagd ihrer Mutter, in Berlin gesehen hatte.
»Um Himmels willen, nicht doch!«, rief Micheline sogleich. »Solch zarte Wäsche benötigt eine sanfte Zuwendung. Schauen Sie, so geht das …« Sie fasste mit beiden Händen in das lauwarme Wasser und begann den dünnen Stoff vorsichtig zu reiben.
Isabelle schaute wissbegierig zu. Einen Haushalt zu führen machte ziemlich viel Arbeit, aber auch Spaß, hatte sie zu ihrem Erstaunen festgestellt. Erst am gestrigen Nachmittag hatte sie sämtliche Teppiche hinters Haus geschleppt, über die Teppichstange gezogen und so lange ausgeklopft, bis die Farben der herrlichen Perser wieder richtig zur Geltung kamen. Wann immer Isabelle nun die Räume betrat, fiel ihr erster Blick auf die Teppiche, und sie erfreute sich an ihrer Leistung. Es wäre ihr zwar zehnmal lieber gewesen, die ersten Aufträge von Leon entgegenzunehmen und bearbeiten zu können, aber solange es im geschäftlichen Bereich nichts für sie zu tun gab, konnte sie sich genauso gut im Haus nützlich machen.
»Fertig!«, sagte Micheline und riss Isabelle damit aus ihren Gedanken. Leons Unterhosen und Isabelles
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