Die Champagnerkönigin
auf. »Gleich nachdem Ihr Mann fort war, machte ich mich auf die Suche nach ein paar Handlangern. Aber … es war niemand aufzutreiben, alle sind schon für andere vignerons mit dem Rückschnitt beschäftigt. Morgen! Morgen, Madame, sieht das sicher besser aus.«
»Hätten Sie sich bloß früher um Hilfsarbeiter gekümmert!«, fuhr Isabelle den Mann an. »Was machen Sie hier eigentlich den lieben langen Tag?« Mit einer ausholenden Geste zeigte sie auf den Weinkeller.
Gustave Grosse seufzte. »Madame … Meine Tage sind nicht lang genug für die umfangreichen Aufgaben eines Kellermeisters, und da soll ich Ihnen mit wenigen Worten dieses höchst schwierige Handwerk erklären? Erwarten Sie das wirklich?«
»Ich erwarte, dass Sie etwas tun und nicht auf der faulen Haut liegen«, erwiderte Isabelle. Sie war wütend und hilflos zugleich. Ganz gleich, wie sie den Mann packen wollte, er entwischte ihr jedes Mal wie ein glitschiger Fisch.
»Kann ich Ihnen sonst noch helfen?«, fragte Grosse gelangweilt, während er mit großer Selbstverständlichkeit die Decken zusammenfaltete. Sein Nickerchen schien ihm nicht sonderlich peinlich zu sein.
Isabelle zögerte. Eigentlich hatte sie keine Lust, sich noch länger mit dem Mann abzugeben. Doch dann sagte sie: »Ich bin gerade dabei, mir einen Überblick über sämtliche Feininger-Weinberge zu verschaffen.« Noch während sie sprach, faltete sie die Flurkarte auseinander. »Aber mir ist immer noch nicht ganz klar, welche Stücke Land uns gehören und welche nicht. Am besten gehen wir jetzt alles zusammen ab, und Sie zeigen mir –«
»Pardon, Madame, aber meine Aufgabe ist es, Champagner herzustellen und den Weinkeller in Schuss zu halten. Um die Weinberge hat sich immer Monsieur Jacques gekümmert. Er war es, der die Ernte organisiert und überwacht hat, und er hatte auch den Überblick über seine Ländereien«, unterbrach Grosse sie prompt. »Es reicht, dass Ihr Mann von mir fordert, dass ich mich künftig um den Rückschnitt kümmere. Mehr können Sie nun wirklich nicht von mir verlangen!«
»… und dann hab ich gesagt … Ich hab gesagt, er soll – doch … wenigstens mal probieren! Aber der Blödmann, er –« Abrupt brach Leon ab, um einen weiteren Schluck aus der Flasche zu nehmen. Seine Augen irrten durch den Raum, als suchte er nach etwas. Einer Lösung. Einem Fluchtweg. Irgendetwas, was er in den letzten Tagen übersehen hatte.
»Der Blödmann wollte nicht! Sagte, seine ›verehrte Kundschaft‹ würde nur Lanson Champagner trinken. Lanson, pa! Was soll an dem besser sein?« Erneut hob er die Flasche an den Mund, Champagner rann ihm den rechten Mundwinkel hinab, er wischte ihn grob mit dem Jackenärmel seiner Radlerkluft ab. Noch nicht einmal umgezogen hatte er sich seit seiner Rückkehr am frühen Abend, stattdessen war er gleich in den Keller hinabgestiegen und mit ein paar Flaschen unterm Arm zurückgekommen. Seitdem saß er am Küchentisch, trank und lamentierte.
Mit sinkendem Herzen schaute Isabelle zu, wie ihr Mann die zweite Flasche leerte. Noch nie in ihrer ganzen gemeinsamen Zeit hatte sie Leon derart erlebt. Sicher, nach einem Radrennen in Berlin hatte er auch das eine oder andere Glas mit seinen Sportskameraden gehoben. Lustig war er dann geworden und ein bisschen laut. Manchmal hatten sie sich an solchen Abenden unter den Augen der anderen wie verrückt geküsst, so dass der Wirt des Vereinsheimes sie gerügt hatte. Richtig betrunken oder gar trübsinnig war Leon jedoch nie gewesen. Aber nun waren seine großen Sprüche, sein Selbstbewusstsein, sein sicheres Vertrauen darauf, dass einem Mann wie ihm alles gelingen konnte, wie weggeblasen.
Er schaute sie mit unsteten, glänzenden Augen an. »Ich kann machen, was ich will – niemand will unseren Schampus haben! Warum nicht? Sag mir, warum nicht?«, heulte er auf. »Und die Amerikaner … die Kunden dort, sind auch fort. Kein Einziger hat sich auf deinen Brief gemeldet, die wollen uns einfach nicht mehr, kapierst du?«
O Gott, er würde doch nicht noch zu weinen beginnen?
»Leon, bitte reiß dich zusammen«, sagte Isabelle betont streng. »Es ist noch nicht aller Tage Abend. Wir stehen ganz am Anfang, und so schnell lassen wir uns nicht entmutigen.« Sie versuchte, so viel Zuversicht wie möglich in ihre Stimme zu legen. Dabei war ihr selbst zum Heulen zumute. Ihr Disput mit dem unverschämten Kellermeister, die noch immer ungeklärte Frage bezüglich der Landbesitzverhältnisse – eigentlich hatte
Weitere Kostenlose Bücher