Die Champagnerkönigin
sie mit Leon darüber sprechen wollen. Er musste etwas tun, und zwar dringend! Aber als er derart niedergeschlagen nach Hause gekommen war, hatte sie es nicht übers Herz gebracht, ihn damit auch noch zu belasten.
Er hielt ihr die Flasche hin. »Trink wenigstens du mit mir! Oder ist dir der Feininger-Champagner auch nicht gut genug?«
Ihm zuliebe nippte sie an ihrem Glas, doch gleich darauf stellte sie es ab. »Für heute reicht es. Unsere Probleme müssen wir auf andere Art lösen, aber dafür ist morgen auch noch ein Tag.« Sie strich ihm über den Arm. »Komm, lass uns schlafen gehen.«
Leon knurrte unwillig. »Probleme, Probleme! Ich kann’s schon nicht mehr hören. Seit wir hier auf diesem elenden Hof sind, haben wir nichts als Probleme. Da fahre ich doch lieber Rad, denn dabei läuft’s wenigstens rund für mich. Und wann ich genug habe, bestimme immer noch ich selbst!« Mit unruhiger Hand zerrte er das Drahtkörbchen der dritten Champagnerflasche vom Korken. Er riss den Korken so heftig aus dem Flaschenhals, dass der Schaumwein sprudelnd überlief und auf die Tischplatte und Isabelles Kleid spritzte. Leon lachte laut und unkontrolliert, dann setzte er die Flasche an die Lippen. »Wenn niemand unseren Schampus mag, sauf ich ihn halt selbst.«
Abrupt stand sie auf. »Du benimmst dich unmöglich! So betrunken kommst du nicht in mein Bett. Ich bringe dir Decke und Kissen, du schläfst heute im Salon«, sagte sie und ging schweren Schrittes und noch schwereren Herzens die Treppe hinauf.
In dieser Nacht lag Isabelle lange wach. Tausendundein Gedanke rasten durch ihren Kopf, manche ließen sich vertreiben, andere waren hartnäckiger und kamen immer wieder. »Niemand will unseren Champagner«, hatte Leon vorhin gesagt. Was, wenn er damit recht hatte? Die Champagner, die Raymond Dupont ihr bei der Weinprobe vorgesetzt hatte, hatten alle viel mehr Aroma besessen, waren feiner gewesen, eleganter.
Am liebsten hätte sie sich die Decke über den Kopf gezogen und einfach losgeheult. Aber hätte ihr das außer einer Rotznase etwas eingebracht?
Am Ende stand Isabelle auf, zog sich ihren Morgenmantel an und setzte sich in einen Sessel direkt ans geöffnete Fenster. Die kalte Nachtluft tat ihr gut. Sie nahm einen tiefen Atemzug.
Der Sternenhimmel war zum Greifen nah. Überall funkelte es, Isabelle konnte sich nicht daran erinnern, je so viele Sterne auf einmal gesehen zu haben. Keine Großstadtlichter lenkten hier vom Firmament ab, der Abendstern flimmerte verheißungsvoll. Irgendwann begann Isabelle zu frösteln und schloss das Fenster wieder. Doch auch durch die Scheibe konnte sie den Blick nicht von der tröstlich hellleuchtenden Venus abwenden. Ihr war, als wollte der Stern ihr den Weg weisen. Als wollte er sagen: Verlier bloß nicht den Mut! Und tatsächlich – je länger sie in die Nacht schaute, desto mehr verspürte sie Zuversicht. Zugegeben, ihre Lage war alles andere als rosig. Aber sie war doch sonst auch kein Hasenfuß, warum ließ sie sich also von den »paar« Problemen Bange machen? Die Stirn musste sie ihnen bieten, dann würde es irgendwann auch für sie wieder hellere Tage geben!
Gejammert und gehadert hatte sie genug, nun war die Zeit gekommen, Lösungen zu finden. Bestimmt sah Leon das morgen früh schon wieder genauso.
Etwas zuversichtlicher als zuvor stieg sie wieder in ihr einsames Bett.
Als Leon am nächsten Morgen mit dröhnendem Schädel erwachte und auf der Suche nach einer Tasse starkem Kaffee vom Salon in die Küche taumelte, fand er außer einem nachlässig bekritzelten Blatt Papier auf dem Küchentisch nichts vor.
1 3. Kapitel
Mit geschlossenen Augen nahm Raymond Dupont einen Schluck des Champagners, den Daniel Lambert für ihn eingeschenkt hatte. Unzählige Perlen zerplatzten auf seiner Zunge, er genoss das Gefühl, als wäre es das erste Mal. Dann begann er mit der Arbeit. Mit kleinen Kaubewegungen ließ er die Flüssigkeit durch seinen Mund rollen. Mandeln, definitiv. Geröstete Mandeln! Nelke, Marzipan … Er öffnete die Augen. In seinem Blick lag Anerkennung, als er sagte: »Der perfekte Champagner, um eine reife Dame zu verführen.«
Der junge Kellermeister lächelte. »Wie wahr! Für ein fröhliches Fest unter jungen Leuten wäre dieser Champagner nicht die erste Wahl. Aber für einen intimen Abend zu zweit …«
Raymond Dupont hob sein Glas und prostete Daniel Lambert zu.
Sie waren allein im Laden, Raymond hatte die Tür abgeschlossen, er wollte die Probe ungestört
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