Die Champagnerkönigin
hochzufahren oder seinen Spott auf irgendeine Art zu erwidern, schaute Isabelle ihn ernst an. »Ich befürchte, der größte Saboteur sitzt in meinem Weinkeller und sonst nirgendwo.«
Die beiden Männer tauschten über ihren Kopf hinweg einen Blick.
»Jetzt kommen Sie doch erst einmal herein, Madame«, sagte Raymond.
Isabelles Herz schlug bis zum Hals, und ihre Knie waren weich, als sie ihre große Handtasche auf dem Tisch abstellte, zu dem Raymond Dupont sie geleitet hatte. Bestimmt war der Besuch bei dem Juwelier der Grund für ihre innere Erregung, dachte sie. Oder die ungewohnte Radfahrt. An die dunklen Augen von Daniel Lambert wollte sie nicht denken. Und auch nicht an die wohlige Wärme in ihrem Bauch, die sie durchfuhr, als sie im Türrahmen so nahe beieinanderstanden. Warum nur reagierte sie derart heftig auf diesen Mann?
»Was für eine Freude, Sie wiederzusehen, Madame Feininger. Setzen wir uns doch für einen Augenblick, und dann sagen Sie mir, wie ich Ihnen helfen kann.«
Während der Ladenbesitzer sich ihr gegenüber niederließ, fühlte sich Isabelle plötzlich an ihren Vater erinnert. Das graumelierte Haar, der exakt sitzende Anzug aus feinstem Garn, das selbstsichere Auftreten, so weltgewandt, so erfahren … Auf einmal spürte sie, wie das innere Zittern nachließ. Dafür wuchs die Überzeugung, dass ihre Entscheidung herzukommen richtig gewesen war.
»Ich würde gern noch eine weitere Champagnerprobe mit Ihnen machen. Allerdings … würde ich dieses Mal gern den Wein bereitstellen.«
Raymond Dupont lachte erstaunt auf. »Aber Madame, Sie brauchen sich doch nicht zu revanchieren! Es ist mir eine Freude, mit Ihnen Champagner zu verkosten. Ich hole nur rasch ein paar Flaschen, und schon können wir beginnen.« Mit jugendlich schwungvollen Bewegungen stand er auf.
»Nein, bitte nicht, Monsieur Dupont!«, rief Isabelle. »Die Sache ist ein wenig anders.« Eilig zog sie die fünf Flaschen Feininger-Champagner, die sie am Morgen aus dem Keller geholt hatte, aus ihrer Tasche. Der Wein perlte darin auf und ab, er war bei der Fahrt kräftig durchgeschüttelt worden. Aber immerhin fühlten sich die Flaschen noch einigermaßen kühl an.
»Ich weiß, ideal ist das nicht, aber …« Sie biss sich auf die Lippen. »Ich möchte wissen, was Sie von diesem Champagner halten. Ob Sie so freundlich wären zu probieren?« Mit angehaltenem Atem wartete sie auf eine Antwort.
Kritisch hielt Raymond Dupont kurz darauf das Glas in die Höhe. »Fahlgelb, fast würde ich es senffarben nennen. Dazu einige Trübstoffe – auf den ersten Blick erscheint dieser Champagner nicht sonderlich anziehend, Madame. Aber warten wir ab, beim Testen eines Champagners werden alle Sinne angesprochen, die Augen, die Nase, der Gaumen natürlich auch …« Er hielt seine Nase über das Glas und roch tief hinein. Dann setzte er das Glas an die Lippen. Unmerklich, aber für Isabelle dennoch erkennbar, verzog er das Gesicht.
»Die Süße ist so hervortretend, dass sie alles Mineralische, was die Champagnertrauben von Natur aus mitbringen, überlagert. Es würde mich nicht wundern, wenn ihm Apfel- oder Birnensaft zugesetzt worden ist, um eine derartige Süße zu erreichen.«
»Apfelsaft im Champagner?« Erschrocken schlug Isabelle eine Hand vor den Mund. »Der Champagner ist gepanscht?«
Raymond nickte geistesabwesend, während er einen weiteren Schluck nahm. »Der Wein entwickelt im Mund außerdem sehr wenig l’effervescence.«
»Sie meinen, er hat nicht genügend Schaum?« Isabelle runzelte die Stirn. Das hörte sich alles nicht gut an.
» Genau!« Seufzend schob der Champagnerkenner das Glas von sich. »Es ist Champagner von Ihrem Weingut, nicht wahr?«
Isabelle nickte beklommen, dabei hätte sie am liebsten ihre Tasche geschnappt und wäre auf und davon gelaufen. Ihr Herz raste. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, als könnte sie so dagegen angehen und sich vor weiterem Unbill schützen. Würden ihre schlimmsten Befürchtungen jetzt noch übertroffen werden?
»Was halten Sie selbst denn von diesem … Perlwein, Madame? Wenn ich mich richtig erinnere, verfügen Sie über einen ausgezeichneten Geschmackssinn.«
Isabelle stutzte. Auf diese Frage war sie nicht gefasst gewesen. »Ich bin in dieser Angelegenheit ein wenig ratlos. Deshalb möchte ich ja Ihre offene, ehrliche Meinung erfahren.«
Raymond Dupont seufzte.
»Bitte …«
Der Champagnerhändler hielt das Glas, von dem er gekostet hatte, über der Tischmitte in
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