Die Champagnerkönigin
Gehälter zu zahlen, und ein paar Tagelöhner können wir uns auch leisten. Dazu Futter für die Gäule, und der Hufschmied ist auch bald fällig, sagte Claude gestern. Alles kein Problem mehr! Was für eine fabelhafte Idee von dir, den alten Plunder zu verkaufen.«
Verletzt löste sich Isabelle aus Leons Umarmung. »Ehrlich gesagt ist mir der Abschied von dem ›alten Plunder‹ ziemlich schwergefallen. Die Perlenkette habe ich an meinem achtzehnten Geburtstag von Mutter bekommen, und sie hat die Kette ihrerseits einst von ihrer Mutter geerbt. Das Rubincollier war ein Geschenk meines Vaters zum Abschluss der Höheren Töchterschule. Mit jedem Stück, das über die Theke des Juweliers ging, haben mich viele Erinnerungen verbunden.« Sie seufzte. »Aber was soll’s. Jetzt ist nicht die Zeit für Sentimentalitäten.« Ihre Schmuckschatulle war noch immer gut gefüllt, sie musste sich nun eben an den restlichen Stücken erfreuen. Und wenn es nötig war, konnte sie damit nochmals Geld lockermachen. Aber so weit würde es hoffentlich nicht kommen.
In Leons Augen loderten die alten Flammen aus Stolz und Selbstbewusstsein. Weggeblasen war seine depressive Stimmung vom Vorabend, als er sagte: »Das hier ist genau der Antrieb, den ich benötigt habe! Gleich morgen früh setze ich mich auf mein Rad und fahre in Richtung Troyes. Im Süden war ich auf meinen Verkaufstouren bisher noch gar nicht. Ich werde wie um mein Leben reden, ab jetzt wird’s laufen, das spüre ich! Und dann bringe ich auch Geld nach Hause, und zwar mehr als das hier.« Er versetzte dem Berg Münzen auf dem Tisch einen Schubs.
Mit ihrer rechten Hand fing Isabelle ein paar der umherkullernden Münzen auf, bevor sie auf den Boden fallen konnten. Dann servierte sie das Fleischragout.
Doch während ihr Mann herzhaft zulangte, stocherte sie lustlos im Essen herum. Wie sollte sie Leon nur beibringen, dass ihr Feininger-Champagner nichts taugte? Dass aus diesem Grund all seine Bemühungen umsonst gewesen waren?
Sie wartete ab, bis er in Ruhe zu Ende gegessen hatte, dann schilderte sie ihm so sachlich wie möglich die Weinprobe bei Raymond Dupont sowie deren niederschmetterndes Ergebnis.
Während Leon schweigend zuhörte, hüpfte sein Adamsapfel nervös auf und ab. »Trübstoffe? Senffarbene Limonade? Handwerklich schlecht gemacht, und vom Geschmack her taugt er auch nichts?« Mehr als einmal unterbrach er Isabelle wütend. »Was weiß denn dieser Kerl? Der kann dir doch alles erzählen. Eine Frechheit ist das!«
Isabelle schüttelte den Kopf. Mit dieser Reaktion hatte sie gerechnet. »Ich vertraue Monsieur Duponts Urteil. Sonst wäre ich nicht zu ihm gegangen. Als Händler hat er mit Champagner der unterschiedlichsten Qualitäten zu tun, er weiß, wovon er spricht. Wenn Dupont sagt, dass unsere Chancen, den Champagner zu einem anständigen Preis zu verkaufen, gleich null stehen, dann ist es so.«
»Aber in unserem Keller liegen Abertausende von Flaschen. Woher willst du wissen, dass die alle von derselben … schlechten Qualität sind?«
»Leon, bitte! Ich habe Monsieur Dumont fünf Flaschen Champagner mitgebracht, jede aus einer anderen Kellerecke, alle waren gleich schlecht. Weitere Weinproben erübrigen sich da wohl.«
»Und was heißt das nun? Soll ich jetzt alles wegschütten?«
Isabelle lachte hilflos auf. »Monsieur Dupont meinte, wir sollen uns nach einem neuen Kellermeister umschauen. Ein junges, frisches Talent, das weiß, wie man trockene Champagner herstellt. Ein chef de cave , der genügend Verständnis für die Bedürfnisse der heutigen Champagnerkundschaft mitbringt.«
»Wunderbar!« Leon schnaubte. »Und wo bitte schön sollen wir auf die Schnelle diesen Zauberlehrling herbekommen? Alle Kellermeister, die mir bisher begegnet sind, stehen anderswo in Lohn und Arbeit. Und selbst wenn einer frei wäre – was könnten wir ihm schon bieten?«
»Bis zur nächsten Ernte ist es ja noch einige Zeit hin, bis dahin wird uns schon etwas einfallen«, sagte Isabelle.
Eine lange Zeit schwiegen sie beide, während Leon die Münzen zu kleinen Türmen stapelte, sie wieder umwarf und von vorn begann.
Am liebsten hätte Isabelle ihm das Geld aus der Hand gerissen, so nervös machte er sie damit, doch sie wusste, dass er diesen Moment brauchte, um sich innerlich zu fangen. Sie hatte dafür immerhin auch die ganze Fahrt von Reims bis nach Hause gebraucht.
Irgendwann hielt Leon in seinem Tun inne. Er griff nach einer der Champagnerflaschen, die von
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