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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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mit größter Sorgfalt, wenn wir nicht
    sinken wollen, nachdem wir der Gefahr zu verbrennen
    entgangen waren. Nein, nein, Mr. Kazallon, ich mache
    mir keine Illusionen und werde es als einen glücklichen
    Umstand betrachten, wenn wir das Riff nach 3 Wochen
    wirklich verlassen haben werden. Nun gebe nur der
    Himmel, daß kein Sturm ausbricht, noch bevor wir wie-
    der flott sind, denn die ›Chancellor‹ müßte an diesen
    Klippen wie ein Glas zerschellen!«
    In der Tat ist hierin die größte Gefahr zu suchen, die
    uns drohen könnte. Das Feuer wird nun vollends ge-
    löscht werden, das Fahrzeug wird wieder flottgemacht
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    werden, mindestens haben wir allen Grund, es zu glau-
    ben – aber wir leben vorderhand von der Gnade eines
    Windstoßes! Zugegeben auch, daß der höchste Teil des
    nahen Riffs während eines Sturms als Zuflucht dienen
    könnte, was soll aus den Passagieren und Mannschaf-
    ten der ›Chancellor‹ werden, wenn ihr Schiff in Stücke
    ginge!
    »Mr. Letourneur«, habe ich diesen darauf gefragt,
    »Sie haben Vertrauen zu Robert Kurtis?«
    »Vollkommenes Vertrauen, Mr. Kazallon. Und ich
    halte es für eine Gnade Gottes, daß Kapitän Huntly
    ihm das Kommando des Schiffes abgetreten hat. Ich bin
    überzeugt, daß Robert Kurtis alles tun wird, was nötig
    und möglich ist, um uns aus dieser schlimmen Lage zu
    reißen.«
    Auf meine Frage an den Kapitän, auf wie lange er den
    entstehenden Aufenthalt veranschlage, antwortet er mir,
    daß er das jetzt, da es von verschiedenen Umständen
    abhänge, noch nicht abzuschätzen imstande sei, er hoffe
    aber wenigstens, daß die Witterung nicht allzu ungüns-
    tig sein werde.
    Wirklich steigt das Barometer ununterbrochen, ohne
    das gewöhnliche Auf- und Abschwanken der Queck-
    silbersäule, das ihr eigen ist, solange die Luftschichten
    noch nicht vollkommen ins Gleichgewicht gekommen
    sind. Jene Erscheinung ist also ein Vorzeichen dauern-
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    der Ruhe – ein wahres Glück für unsere notwendigen
    Arbeiten.
    Übrigens wird keine Stunde vergeudet, und jeder geht
    freudig an seine Tätigkeit.
    Vor allem andern hat Robert Kurtis die Absicht, die
    Feuersbrunst vollkommen zu löschen, die noch in den
    oberen Lagen der Baumwollballen, über dem Niveau des
    Wassers im Kielraum, fortdauert. Es kann aber nicht da-
    rum gehen, die Ladung zu schonen, offenbar gilt es nur,
    das Feuer zwischen zwei Wasserschichten zu ersticken.
    Die Pumpen beginnen ihr Werk demnach aufs neue.
    Bei diesen ersten Maßnahmen reichen die Mann-
    schaften zur Bedienung der Pumpen aus. Die Passagiere
    werden nicht in Anspruch genommen, obgleich wir alle
    zur Hilfe bereit sind; doch dürfte unsere Unterstützung
    nicht zu unterschätzen sein, wenn man zur Entlastung
    des Fahrzeugs vorschreiten wird. Die Herren Letour-
    neur und ich, wir verbringen unsere Zeit entweder mit
    Plaudern oder mit Lektüre, und außerdem verwende
    ich täglich einige Stunden auf die Fortführung mei-
    nes Tagebuchs. Der wenig mitteilsame Ingenieur Fals-
    ten ist ganz von seinen Ziffern in Anspruch genommen
    und entwirft fortwährend Maschinen im Aufriß, wie
    im Durchschnitt. Wenn es doch dem Himmel gefiele,
    ihn einen kräftigen Apparat ersinnen zu lassen, der die
    ›Chancellor‹ wieder flottzumachen vermöchte! Die bei-
    den Kear halten sich abseits und ersparen uns dadurch
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    das langweilige Anhören ihrer unablässigen Entschädi-
    gungsansprüche; leider ist auch Miss Herbey genötigt,
    an der Seite jener zu bleiben, und wir sehen das junge
    Mädchen sehr wenig oder gar nicht. Silas Huntly küm-
    mert sich um nichts, was mit dem Schiff zu tun hat, der
    Seemann in ihm ist gestorben und der Mann vegetiert
    nur noch mühsam. Der Steward Hobbart versieht sei-
    nen Dienst, wie gewöhnlich, als befinde sich das Schiff
    auf der regelmäßigsten Überfahrt. Dieser Hobbart ist
    ein unterwürfiger Kriecher und unterscheidet sich sehr
    auffallend von seinem Koch Jynxtrop, einem häßlichen
    Neger mit brutalen und unverschämten Manieren, der
    sich mehr als nötig zu den Matrosen hält.
    Zerstreuungen können an Bord natürlich nicht allzu
    häufig sein. Da kommt mir zum Glück der Gedanke, das
    unbekannte Riff, auf dem die ›Chancellor‹ gestrandet
    ist, näher zu untersuchen. Der Ausflug wird weder weit
    sein, noch besondere Abwechslungen bieten, doch gibt
    er Gelegenheit, das Schiff für einige Stunden zu verlas-
    sen und einen Boden zu untersuchen, der einen interes-
    santen Ursprung haben

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