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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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›Chancellor‹ darauf
    gelangen können? Gewiß hob sie eine ungeheure Welle,
    wenigstens hatte ich ein ähnliches Gefühl, bevor wir
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    aufliefen. Nachdem ich die Lagerung der Felsen, die uns
    umringen, genauer betrachtet habe, stelle ich mir die
    Frage, wie wir von ihm wohl wieder loskommen wer-
    den. Das Schiff liegt von hinten nach vorn zu gesenkt,
    wodurch das Gehen auf dem Verdeck sehr schwierig
    wird, und außerdem hat es sich mit der eingetretenen
    Ebbe sehr auffällig nach Backbord geneigt. Robert Kur-
    tis hat sogar befürchtet, daß es bei tiefer Ebbe kentern
    würde; jetzt nimmt die seitliche Neigung aber nicht
    weiter zu, und unsere Besorgnis ist verschwunden.
    Um 6 Uhr morgens machen sich ziemlich heftige
    Stöße bemerkbar. Sie rühren vom Besanmast her, der
    nach seinem Bruch erst weggetrieben wurde und jetzt
    wieder an die Breitseite der ›Chancellor‹ anschlägt. Zu-
    gleich hören wir wiederholte Schreie und unterscheiden
    mehrmals den Namen »Robert Kurtis«.
    Wir blicken nach der Richtung hin, aus der die Rufe
    zu kommen scheinen, und sehen einen Mann, der sich
    an den Mastkorb klammert. Es ist Silas Huntly, den der
    Sturz des Masts mitgerissen und ein Wunder vor dem
    Tod errettet hat.
    Robert Kurtis eilt seinem früheren Kapitän zu Hilfe
    und bringt ihn, tausend Gefahren trotzend, glücklich an
    Bord zurück. Ohne ein Wort zu sprechen, setzt sich Si-
    las Huntly sofort in die entlegenste Ecke des Oberdecks.
    Der Mann ist vollkommen passiv geworden; er zählt gar
    nicht mehr mit.

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    Nach manchen Anstrengungen gelingt es, den Mast
    unter den Wind zu bringen, wonach er mit dem Schiff,
    dessen Planken er nicht mehr bedroht, fest verbunden
    wird. Vielleicht soll dieses Trümmerstück uns noch
    Dienste leisten, wer kann es wissen?
    Es ist nun völlig Tag geworden; die Nebel steigen.
    Schon vermag der Blick den Horizont auf 3 Meilen Ent-
    fernung zu erreichen, doch nichts zeigt sich, was einer
    Küste ähnlich sähe. Nur im Norden taucht eine Art Ei-
    land auf. Seine unregelmäßige Form verdankt es einer
    launenhaften Aufhäufung von Felsmassen, die sich etwa
    200 Faden von der Stelle, an der die ›Chancellor‹ stran-
    dete, und zu einer Höhe von vielleicht 50 Fuß erhebt. Sie
    muß also auch die stärkste Hochflut überragen. Ein sehr
    schmaler, doch bei niedrigem Wasser gangbarer Weg er-
    öffnet sich uns für den Notfall nach jenem Eiland. Dar-
    über hinaus nimmt das Meer wieder eine dunklere Fär-
    bung an. Dort ist tiefes Wasser; dort endet das Riff.
    Eine schmerzliche Enttäuschung, gerechtfertigt
    durch die Lage des Fahrzeugs, bemächtigt sich aller. Es
    ist wirklich zu fürchten, daß diese Klippen mit keinem
    benachbarten Land in Verbindung stehen.
    In diesem Augenblick – es ist 7 Uhr – ist nun hel-
    ler Tag und die Dunstmassen sind verschwunden. Voll-
    kommen deutlich zeichnet sich der Horizont rund um
    die ›Chancellor‹ ab, aber die Grenzlinie des Wassers und
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    die des Himmels verschwimmen ineinander und das
    Meer erfüllt den ganzen, weiten Raum.
    Unbeweglich beobachtet Robert Kurtis den Ozean
    und besonders im Westen. Mr. Letourneur und ich ste-
    hen nah beieinander, achten auf seine geringsten Bewe-
    gungen und erraten alle Gedanken, die sich in seinem
    Gehirn jagen. Sein Erstaunen scheint groß zu sein, denn
    er mußte uns in der Nähe von Land glauben, da das
    Schiff von den Bermudas aus immer nach Süden getrie-
    ben worden war, und doch ist kein Land in Sicht.
    In diesem Augenblick verläßt Robert Kurtis das Ober-
    deck, begibt sich auf der Schanzkleidung bis zur Strick-
    leiter des Großmasts, erklettert diese bis zum Mastkorb
    und von da aus an den Seilen noch höher hinauf, bis er
    auf einer oberen Segelstange steht. Von dort aus schweift
    sein Blick aufmerksam über den ganzen Umkreis, und
    nach Verlauf einiger Minuten gleitet er an einem Tau bis
    zu dem Barkholz herab und kommt zu uns zurück.
    Wir sehen ihn fragend an.
    »Kein Land!« sagt er sehr kalt.
    Da tritt Mr. Kear vor und spricht in offenbar übler
    Laune:
    »Wo sind wir, Herr?«
    »Das weiß ich nicht, mein Herr.«
    »Das sollten Sie aber wissen!« erwidert ärgerlich der
    Ölhändler.
    »Möglich – aber ich weiß es nicht!«
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    »Nun«, fährt Mr. Kear fort, »so hören Sie denn, daß
    ich keine Lust habe, ewig auf Ihrem Schiff zu bleiben,
    mein Herr, und ich erwarte von Ihnen, daß Sie nun wei-
    tersegeln!«
    Robert Kurtis begnügte sich, mit

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