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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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November bis 1. Dezember. – Nun schwimmen wir
    also auf dem Meer, und das auf einem Fahrzeug, des-
    sen Festigkeit nur sehr zweifelhaft ist; doch haben wir
    ja zum Glück keine allzu weite Fahrt vor uns. Es han-
    delt sich nur um 800 Meilen, und wenn der Nordost-
    wind nur einige Tage anhält, wird die ›Chancellor‹, die
    vom Wind im Rücken nicht so arg angegriffen wird, die
    Küste von Guyana mit Sicherheit erreichen.
    Beim Kurs nach Südwesten nimmt das Leben an Bord
    nun wieder seinen gewohnten Lauf.
    Die ersten Tage vergehen ohne weitere Zwischen-
    fälle. Die Richtung des Windes bleibt immer günstig,
    doch vermeidet Robert Kurtis zu viel Segel beisetzen zu
    lassen, da er eine Wiedereröffnung des Lecks fürchtet,
    wenn das Schiff zu schnell fährt.
    Eine traurige Fahrt, wenn man zu dem Schiff, das ei-
    nen trägt, kein Zutrauen haben kann. Jeder ist mit sei-
    nen eigenen Gedanken beschäftigt, und an Bord entwi-
    ckelt sich nicht jene lebhafte Mitteilungslust, wie bei ei-
    ner raschen und sicheren Seefahrt.
    Während des 29. geht der Wind um ein Viertel nach
    Norden zurück. Die Segelstellung muß geändert und
    die Steuerbordhalsen müssen beigesetzt werden. Infol-
    gedessen neigt sich das Schiff stark nach der Seite.
    Robert Kurtis zieht die Bramstengen ein, denn er be-
    — 132 —
    merkt wohl, wie stark die Seitenneigung die ›Chancel-
    lor‹ belastet. Er tut recht daran, denn es geht weniger
    darum, eine schnelle Überfahrt auszuführen, als ohne
    neuen Unfall einen Hafen zu erreichen.
    Die Nacht vom 29. zum 30. ist dunkel und dunstig.
    Die Brise frischt immer mehr auf und unglücklicher-
    weise droht der Wind nach Nordwesten umzuschlagen.
    Die meisten Passagiere halten sich in ihren Kabinen auf.
    Kapitän Kurtis verläßt dagegen das Oberdeck niemals,
    und die ganze Mannschaft bleibt auf dem Verdeck.
    Noch immer neigt sich das Schiff ganz bedeutend,
    obwohl es gar kein Obersegel mehr trägt.
    Gegen 2 Uhr morgens will auch ich mich in meine
    Koje zurückziehen, als einer der Matrosen, der im Kiel-
    raum gewesen war, eiligst daraus hervorkommt und
    ausruft:
    »2 Fuß Wasser!«
    Robert Kurtis und der Bootsmann eilen die Lei-
    ter hinab und finden die traurige Neuigkeit nur allzu-
    wahr. Ob sich das Leck trotz aller Vorsichtsmaßnahmen
    wieder geöffnet hat, oder ob einige schlecht kaltfaterte
    Fugen auseinandergewichen sind, läßt sich noch nicht
    sagen, jedenfalls dringt das Wasser wieder in den Kiel-
    raum ein.
    Der Kapitän kommt aufs Verdeck zurück, läßt das
    Schiff wieder vor den Wind legen, damit es weniger um-
    hergeworfen wird, und so erwartet man den Tag.
    — 133 —
    Beim Sondieren am Morgen findet man 3 Fuß Was-
    ser . . .
    Ich sehe Robert Kurtis an. Eine leichte Blässe fliegt
    über sein Gesicht, doch bewahrt er seine Kaltblütigkeit.
    Die Passagiere, von denen einige auf das Verdeck ge-
    kommen sind, werden über den Vorfall informiert, den
    zu verheimlichen doch schwierig gewesen wäre!
    »Ein neues Unglück«, sagt Mr. Letourneur zu mir.
    »Das war vorauszusehen«, habe ich geantwortet, »in-
    dessen können wir nicht weit vom Land entfernt sein,
    und ich hoffe, daß wir es erreichen.«
    »Gott möge Sie erhören!« erwiderte Mr. Letourneur.
    »Ist denn Gott an Bord?« fragt Falsten mit Achsel-
    zucken.
    »Er ist gegenwärtig, mein Herr«, fällt da Miss Her-
    bey ein.
    Der Ingenieur schweigt bei diesen Worten, dem Aus-
    fluß eines frommen Glaubens, über den nicht zu strei-
    ten ist.
    Inzwischen ist auf Anordnung Robert Kurtis’ der
    Dienst an den Pumpen organisiert worden. Mit mehr
    Resignation als Eifer geht die Mannschaft an die Arbeit;
    aber es geht um den Kopf, und die in zwei Gruppen ge-
    teilte Mannschaft löst sich an den Pumpenstangen ab.
    Im Lauf des Tages wiederholt der Hochbootsmann
    die Sondierungen, und man erkennt, daß das Meer lang-
    sam, aber unablässig in den Frachtraum eindringt.
    — 134 —
    Zum Unglück kommen die Pumpen häufig in Unord-
    nung; sie verstopfen sich entweder durch Asche oder
    Baumwollbällchen, die sich noch im unteren Teil des
    Kielraums befinden. Bei der notwendig werdenden Rei-
    nigung verlieren wir natürlich eine gewisse Zeit und die
    Erfolge unserer Mühe.
    Am folgenden Morgen ergibt eine neue Untersu-
    chung 5 Fuß Wasser im Frachtraum. Wenn das Her-
    ausschaffen aus irgendeinem Grund ausgesetzt werden
    müßte, würde das Schiff also sinken. Überhaupt kann
    das ja nur eine Frage der Zeit, und zwar einer sehr kur-
    zen Zeit

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