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Die Chancellor

Die Chancellor

Titel: Die Chancellor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sein. Schon ist die Schwimmlinie der ›Chan-
    cellor‹ um einen Fuß gesunken und ihr Stampfen wird
    stärker, da sie sich nur schwerfällig mit den Wellen hebt.
    Kapitän Kurtis sehe ich auch die Augenbrauen runzeln,
    sobald ihm der Leutnant oder der Hochbootsmann eine
    Meldung machen. Das ist kein gutes Vorzeichen!
    Die Arbeit an den Pumpen ist den ganzen Tag und
    die Nacht über fortgesetzt worden. Dennoch nimmt das
    Wasser zu. Die Mannschaft ist erschöpft; unter den Leu-
    ten werden Anzeichen von Entmutigung bemerkbar. In-
    zwischen gehen der Leutnant und der Hochbootsmann
    mit ihrem Beispiel voran, und die Passagiere nehmen an
    den Pumpenhebeln Platz.
    Jetzt ist die Lage freilich nicht dieselbe, wie zu der
    Zeit, als die ›Chancellor‹ auf dem festen Grund des
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    Ham-Rock aufsaß; unser Fahrzeug schwebt über einem
    Abgrund, in den es jeden Augenblick versinken kann.
    23
    2. und 3. Dezember. – Noch 24 Stunden lang kämpfen
    wir mit aller Macht und verhindern ein Steigen des Was-
    serniveaus im Innern des Frachtraums; doch es liegt auf
    der Hand, daß die Zeit kommen wird, wo die Pumpen
    nicht mehr reichen werden, dieselbe Menge Wasser aus-
    zuwerfen, die durch das Leck im Rumpf eindringt.
    Im Verlauf dieses Tages geht Robert Kurtis, der sich
    keinen Augenblick der Ruhe gönnt, selbst an eine Unter-
    suchung des Kielraums, bei der der Zimmermann und
    der Hochbootsmann ihn begleiten; auch ich schließe
    mich ihnen an. Wir schaffen einige Baumwollballen zur
    Seite und hören bei einiger Aufmerksamkeit ein Rau-
    schen von Wasser, oder um es richtiger zu bezeichnen,
    ein »Gluck! Gluck!«. Robert Kurtis will auf jeden Fall
    versuchen, den Schiffsrumpf am Heck durch Einhül-
    lung mit geteerten Segeln trockenzulegen. Vielleicht
    gelingt es, dadurch wenigstens vorderhand jede Verbin-
    dung mit dem Meer zu unterbrechen. Wenn das Nach-
    strömen des Wassers nur momentan aufzuhalten ist,
    wird man erfolgreicher pumpen und das Schiff wahr-
    scheinlich wieder heben können.
    Die Ausführung dieser Absicht ist umständlicher, als
    — 136 —
    man glauben sollte. Zunächst muß die Schnelligkeit des
    Fahrzeugs gemäßigt werden, und nachdem die großen
    Segel, die die Jölltaue halten, bis nach dem Kiel hinun-
    tergeglitten sind, leitet man sie bis zu der Stelle des frü-
    heren Lecks und versucht den ganzen Teil der ›Chancel-
    lor‹ vollkommen einzuhüllen.
    Von jetzt ab wirken die Pumpen etwas bemerkbarer,
    und wir gehen mit neuem Mut an die Arbeit. Dennoch
    hat Kapitän Kurtis die größtmögliche Menge Segel bei-
    behalten lassen, denn er weiß zu gut, daß der Rumpf der
    ›Chancellor‹ nicht lange aushalten kann und er große
    Eile hat, irgendein Land zu erreichen. Wenn ein ande-
    res Schiff in Sichtweite vorüber käme, würde er nicht
    zögern, Notsignale zu geben, seine Passagiere, selbst
    die Mannschaften auszuschiffen und allein an Bord zu-
    rückzubleiben bis zum Versinken der ›Chancellor‹ un-
    ter seinen Füßen.
    All unsere Hilfsmittel sollten aber vergeblich sein!
    In der Nacht hat die Segelhülle dem Druck von außen
    nachgegeben, und am Morgen des 3. Dezember meldet
    der Hochbootsmann mit einigen kräftigen Flüchen:
    »Wieder 6 Fuß Wasser im Frachtraum!«
    Die Tatsache ist nur zu richtig! Das Schiff füllt sich
    aufs neue an, es sinkt merklich tiefer, und schon taucht
    seine Schwimmlinie weit unter das Wasser. Indessen ar-
    beiten wir an den Pumpen mit mehr Anstrengung denn
    je, und setzen unsere letzten Kräfte daran. Unsere Arme
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    sind halb gebrochen, unsere Hände bluten, und trotz al-
    len Quälens läuft uns das Wasser den Rang ab.
    Robert Kurtis läßt nun noch an der großen Luke eine
    Kette bilden, und schnell fliegen die Eimer von Hand
    zu Hand.
    Alles ist vergebens! Morgens um halb 9 ergibt die
    Messung einen noch weiteren Zuwachs des Wassers im
    Frachtraum. Schon bemächtigt sich die Verzweiflung ei-
    niger der Matrosen. Robert Kurtis treibt sie an, weiter-
    zuarbeiten. Sie weigern sich.
    Unter den Leuten ist einer von sehr widerspensti-
    gem Sinn, ein Anführer, von dem ich schon gesprochen
    habe, der Matrose Owen. Er mag 40 Jahre alt sein. Sein
    Gesicht endet mit einem rötlichen Spitzbart am Kinn,
    während die Wangen haarlos sind; seine Mundwinkel
    verlaufen nach unten, und seine fahlen Augen zeichnen
    sich durch einen roten Punkt an der Verbindungsstelle
    mit den Lidern aus. Er hat eine scharfe Nase, weit abste-
    hende Ohren und seine Stirn ist durch

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