Die Chancellor
den
Strickleitern von den Seiten der Plattform halten wer-
den. Das große Topsegel ist dafür bestimmt und treibt
uns vielleicht nach der Küste.
Wer weiß, ob dieser gebrechliche Bretterhaufen, der
wohl kaum untersinken kann, nicht zustande bringen
wird, was der ›Chancellor‹ nicht gelingen sollte? Die
Hoffnung wurzelt doch so fest im Menschenherzen, daß
ich sie auch jetzt noch sich in mir regen fühle!
Es ist 7 Uhr morgens, und wir sind eben im Begriff,
uns einzuschiffen, als das Schiff plötzlich so schnell ver-
sinkt, daß der Zimmermann und die auf dem Floß be-
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schäftigten Leute gezwungen sind, die Taue zu kappen,
um nicht mit in den Wirbel hinabgezogen zu werden.
Eine unbeschreibliche Angst bemächtigt sich unser,
denn in dem Augenblick, da das Schiff in den Abgrund
versinkt, treibt unsere einzige rettende Planke mit der
Strömung fort.
Zwei Seeleute und ein Schiffsjunge verlieren den
Kopf, stürzen sich ins Meer, aber sie kämpfen verge-
bens gegen den Seegang. Es liegt auf der Hand, daß sie
das Floß nicht erreichen, noch an Bord zurückgelangen
werden, denn sie haben Wind und Wellen gegen sich.
Robert Kurtis schlingt sich einen Strick um den Leib
und versucht ihnen zu Hilfe zu eilen. Vergeblich! Noch
bevor er sie erreicht hat, sehe ich die drei Unglücklichen,
die sich mit aller Macht zu halten versuchen, langsam
verschwinden, nachdem sie vergeblich die Arme nach
uns ausgestreckt haben.
Man zieht Robert Kurtis wieder heran, der selbst bei
dem wildbewegten Wasser nicht ohne Verletzung an
Bord gelangt.
Inzwischen mühen sich Daoulas und seine Leute mit-
tels Balken, die sie als Ruder gebrauchen, ab, dem Schiff
wieder nahe zu kommen, doch erst nach einer Stunde –
eine Stunde, die uns eine Ewigkeit scheint und während
der das Wasser bis zu den Mastkörben steigt – gelingt
es, das Floß, das sich auf 2 Kabellängen (ungefähr 400
Meter) von uns entfernt hatte, neben die ›Chancellor‹
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zu legen. Der Bootsmann wirft Daoulas eine Leine zu,
und das Floß wird noch einmal an die Mastseile des
Großmasts angebunden.
Jetzt ist kein Augenblick zu verlieren, denn ein furcht-
barer Wirbel entsteht rings um den gesunkenen Schiffs-
rumpf, aus dem in großer Menge starke Luftblasen auf-
steigen.
»Einschiffen! Einschiffen!« rief Robert Kurtis.
Wir stürzen auf das Floß. André Letourneur beob-
achtet erst, daß auch Miss Herbey darauf gelangt, und
erreicht dann selbst glücklich die Plattform, wohin sein
Vater ihm unmittelbar folgt. In kürzester Zeit sind wir
alle eingeschifft – alle, bis auf Kapitän Robert Kurtis
und den alten Matrosen O’Ready.
Robert Kurtis steht noch auf dem Mastkorb des Groß-
masts und will sein Schiff nicht eher verlassen, als bis es
in den Abgrund versinkt; das ist seine Pflicht und sein
Recht. Man fühlt es mit, daß ihm fast das Herz bricht,
da er die ›Chancellor‹, die er liebt und befehligt, aufzu-
geben gezwungen ist!
Der Ire ist im Mastkorb des Besanmasts geblieben.
»Schiff dich ein, Alter!« ruft ihm der Kapitän zu.
»Geht das Schiff schon unter?« fragt der Starrkopf
mit der größten Gleichgültigkeit.
»Es sinkt geradewegs hinab.
»Er schifft sich schon ein«, antwortet O’Ready, als
ihm das Wasser bis an den Gürtel gestiegen ist.
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Kopfschüttelnd begibt er sich nach dem Floß.
Noch einen Augenblick verweilt Robert Kurtis auf
dem Mastkorb, wirft einen Blick ringsum und verläßt
als der letzte sein Fahrzeug.
Es ist höchste Zeit. Die Taue werden gekappt, und
langsam treibt das Floß ab.
Unser aller Augen sind nach der Stelle gerichtet, an
der das Schiff untergeht. Erst verschwindet die Spitze
des Besanmasts, dann die des Großmasts, und nun ist –
nichts mehr sichtbar von dem schönen Schiff, das vor-
her die ›Chancellor‹ hieß.
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Fortsetzung 7. Dezember. – Jetzt trägt uns also ein an-
derer schwimmender Apparat; versinken kann er zwar
nicht, denn die Balken, aus denen er besteht, müssen un-
ter allen Umständen auf der Oberfläche bleiben. Doch
wird ihn das Meer nicht zertrümmern?
Wird es nicht die Taue zerreißen, die ihn verbinden?
Von 28 Personen, die die ›Chancellor‹ bei ihrer Ab-
fahrt von Charleston trug, sind schon 10 umgekom-
men.
Wir sind noch 18 – 18 auf einem Floß, das auf 40 Fuß
Länge eine Breite von etwas 20 Fuß bietet.
Hier folgen die Namen der Überlebenden: Die Her-
ren Letourneur, der
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