Die Chaos Queen
war nicht in Tucki-Laune und verzichtete. Als Lula das letzte Stück Apfeltasche verzehrte, sah sie auf die Uhr. »Ich würde ja zurückgehen und den Spinner rausholen, aber es ist schon spät. Findest du nicht?«
»Fast schon drei Uhr.«
»Praktisch gleich Feierabend.«
Besonders für mich, da ich gestern gekündigt hatte.
3
Ich bin nicht die beste Köchin der Welt, aber ich habe ein paar Spezialitäten drauf, und zu fast allen gehört Erdnussbutter. Mit Erdnussbutter macht man nichts falsch. Heute bereitete ich mir zum Abendbrot ein Sandwich mit Erdnussbutter, Oliven und Kartoffelchips zu. Sehr nahrhaft, da es in einem geometrischen Quadrat Hülsenfrüchte, Gemüse und wertlose Weißbrot-Kohlehydrate vereinte. Ich stand in der Küche und spülte das Sandwich mit einem kalten Corona hinunter, als Morelli anrief.
»Was machst du gerade?«, wollte er wissen.
»Ich esse.«
»Warum isst du nicht bei mir?«
»Ich wohne nicht bei dir.«
»Gestern Nacht schon.«
»Gestern Nacht war ich bei dir
zu Besuch.
Das ist was anderes, als bei dir zu wohnen. Zum Zusammenwohnen braucht man Bindungsbereitschaft und Platz im Kleiderschrank.«
»Mit der Bindungsbereitschaft ist es bei uns, glaub ich, nicht so weit her, aber im Austausch für hemmungslosen, wilden Sex mindestens fünfmal pro Woche würde ich ohne weiteres ein paar Schränke an dich abtreten.«
»Du liebe Güte!«
»Gut, viermal pro Woche, aber das ist mein letztes Wort! Wie ist die neue Stelle in der Knopffabrik?«
»Ich wurde rausgeschmissen. Und das ist deine Schuld. Ich bin schon am ersten Tag zu spät gekommen.«
Ich spürte, dass Morelli vor sich hin grinste. »Ich bin nicht schlecht, was?«
»Ich hab einen neuen Job bei Kan Klean. Morgen fange ich an.«
»Das sollten wir feiern!«
»Nix da! Aus dem Grund habe ich die Stelle in der Knopffabrik verloren! Willst du nicht wissen, ob ich Rabatt bekomme?«
»Ich bringe meine Sachen nicht in die Reinigung. Ich trage sie so lange, bis sie auseinanderfallen, dann werfe ich sie weg.«
Ich aß den letzten Bissen Sandwich und leerte die Bierflasche. »Ich muss los«, verkündete ich Morelli. »Ich hab Grandma gesagt, ich würde sie um sieben abholen. Wir wollen zu Harry Farsteins Aufbahrung bei Stiva.«
»Dagegen kann ich nicht anstinken«, meinte Morelli.
Grandma wartete bereits in der Tür, als ich vorfuhr. Sie trug eine pastellblaue Freizeithose, eine dazu passende Bluse mit Blumendruck, eine weiße Baumwollstrickjacke und weiße Tennisschuhe. Unter dem Arm klemmte ihre große schwarze Tasche aus Lackleder. Ihr graues Haar war frisch in kleine Löckchen gelegt und adrett über ihre rosa Kopfhaut verteilt. Grandmas Fingernägel waren manikürt und feuerwehrrot lackiert. Ihr Lippenstift war farblich darauf abgestimmt.
»Ich bin so weit«, sagte sie und eilte zum Wagen. »Wenn wir uns nicht beeilen, bekommen wir keinen guten Platz. Heute wird es bestimmt voll. Seit Spiro nicht mehr da ist, geht bei Stiva alles drunter und drüber. Spiro war eine gemeine kleine Ratte, aber von Organisation hat er was verstanden.«
Spiro war der Sohn von Constantine Stiva. Er war mit mir zur Schule gegangen. Ich vermutete, dass ich unabsichtlich zu seinem Verschwinden beigetragen hatte. Er war eine Schande für das Menschengeschlecht gewesen, verschob Waffen und was nicht sonst noch alles. Er hatte versucht, Grandma und mich zu töten, es hatte eine Schießerei und ein spektakuläres Feuer im Beerdigungsinstitut gegeben, und inmitten all der Aufregung hatte sich Spiro in Luft aufgelöst.
Als ich die Zettel bekam, auf denen »ICH BIN WIEDER DA« und »DACHTEST DU, ICH WÄRE TOT?« stand, war Spiro einer der ersten durchgeknallten Kandidaten, die mir einfielen. Traurig, aber wahr: Er war nur einer von vielen. Und noch nicht mal der aussichtsreichste Kandidat. Spiro war so einiges gewesen, aber nicht dumm. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, dass er auf Rache aus war. Spiro hatte Geld und Macht gewollt.
Das Beerdigungsinstitut befand sich auf der Hamilton, einige Häuserblocks von Vinnies Kautionsbüro entfernt. Nach dem Brand war es wieder aufgebaut worden. Der Stil war nun eine Mischung aus Backstein und altem viktorianischem Herrenhaus. Die zweigeschossige Fassade war mit weißem Aluminium verkleidet und hatte schwarze Fensterläden. Eine breite Veranda zog sich um die Front und an der Südseite entlang. Einige Aufbahrungsräume und sämtliche Einbalsamierungsräume befanden sich im neuen Backsteinanbau hinten.
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