Die Chaos Queen
als hätte er das Wort durch zusammengebissene Zähne gepresst.
Zweite Nachricht um halb acht: Morellis Atem im Telefon.
Dritte Nachricht: »Ruf mich an, wenn du das Handy wieder anmachst.« Ebenfalls Morelli.
Vierte Nachricht: »Es ist halb drei. Wir haben gerade Barronis Auto gefunden. Melde dich!«
Barronis Auto! Ich rief Joe auf dem Handy an.
»Ich bin’s«, sagte ich. »Hab gerade Feierabend. Musste das Handy ausstellen, weil Mama Macaroni meinte, sie bekäme davon einen Gehirntumor. Wäre allerdings kein Verlust.«
»Wo bist du?«
»Auf der Straße. Ich fahre jetzt nach Hause und mache ein Nickerchen. Ich bin total fertig.«
»Das Auto …«
»Das Auto ist in Ordnung«, sagte ich zu Morelli.
»Ist es nicht.«
»Hör auf damit! Was ist mit Barroni?«
»Hab ich mir ausgedacht. Sonst hättest du nicht zurückgerufen.«
Ich legte den Finger aufs Augenlid, damit es zu zucken aufhörte, warf Morelli aus der Leitung und fuhr zu meiner Wohnung.
Der alte Mr. Ginzier ging gerade zu seinem Buick. »Das ist ja ein schicker Wagen, den du da hast, Mädel«, sagte er. »Und wie der stinkt!«
»Für den Gestank musste ich noch was drauflegen«, gab ich zurück.
»Du bist ein Sprücheklopfer«, sagte Mr. Ginzier. Aber er grinste dabei. Mr. Ginzier mochte mich. Da war ich mir ziemlich sicher.
Als ich nach Hause kam, döste Rex in seiner Suppendose. Es waren keine Nachrichten auf dem AB. Die meisten Leute riefen heutzutage eh auf dem Handy an. Selbst meine Mutter. Ich schlurfte ins Schlafzimmer, streifte meine Schuhe ab und krabbelte ins Bett. Das Beste, was sich über diesen Tag sagen ließ, war, dass er minimal besser gewesen war als der davor. Wenigstens war ich nicht rausgeworfen worden. Allerdings war es schwer zu beurteilen, ob ein nicht erfolgter Rausschmiss bei Kan Klean eher gut oder schlecht war. Ich schloss die Augen und zwang mich zu schlafen, redete mir ein, wenn ich aufwachte, sei mein Leben super. Klar, war ein bisschen geschwindelt, aber so brach ich wenigstens nicht in Tränen aus, und mein Geschirr blieb heil.
Ein paar Stunden später war ich immer noch wach und dachte weniger an zerdeppertes Geschirr als an etwas zu essen. Ich schlich in die Küche und machte eine Bestandsaufnahme. Ich konnte mir noch ein Sandwich mit Erdnussbutter schmieren. Ich konnte bei meiner Mutter schnorren. Ich konnte mich loseisen und mich auf die Suche nach Fastfood machen. Die letzten beiden Möglichkeiten bedeuteten, dass ich wieder in den Saturn steigen musste. Keine verlockende Aussicht, aber immer noch besser als ein Erdnussbuttersandwich.
Ich schnürte meine Turnschuhe zu, fuhr mir mit der Bürste durchs Haar und legte Lipgloss auf. Natürlicher Look. In New Jersey eigentlich nur annehmbar, wenn man sich die Titten so hatte aufmotzen lassen, dass sie den Blick auf alles andere versperrten. Ich hatte mir die Titten nicht aufmotzen lassen; den meisten Leuten fiel es nicht schwer, an ihnen vorbeizusehen, aber das war mir heute ziemlich egal.
Auf der Treppe wog ich die Freuden einer Hühnchen-Quesadilla gegen die Befriedigung durch ein Dutzend Doughnuts ab. Als ich durch die Haustür und über den Parkplatz zu meinem Wagen ging, war ich noch immer unentschieden. Wie sich zeigte, musste ich mich auch gar nicht entscheiden, denn an meinem Wagen war eine Autokralle der Polizei.
Ich zog das Handy aus der Tasche und wählte Morellis Nummer.
»An meinem Auto ist eine Radkralle«, sagte ich. »Ist die von dir?«
»Nicht persönlich.«
»Die muss ab.«
»Ich bin für Personendelikte zuständig. Ich bin nicht bei der Verkehrspolizei.«
»Gut. Ich möchte ein Delikt gegen eine Person anzeigen. Irgendein Hohlkopf hat mein Auto gekrallt.«
Morelli seufzte und legte auf.
Ich rief Ranger an.
»Ich habe ein Problem«, sagte ich.
»Und?«
»Ich dachte, du könntest mir vielleicht helfen.«
»Worum geht’s denn?«
»Ich hab eine Kralle am Auto.«
»Und?«
»Die muss ab.«
»Sonst noch was?«
»Ich könnte ein paar Doughnuts gebrauchen. Ich hab noch nichts gegessen.«
»Wo bist du?«
»Zu Hause.«
»Babe«, sagte Ranger, dann wurde die Verbindung unterbrochen.
Zehn Minuten später rollte Rangers Porsche heran und blieb neben dem Saturn stehen. Ranger stieg aus und gab mir eine Tüte. Er war wie immer schwarz gekleidet. Das schwarze T-Shirt sah aus, als sei es auf seinen Bizeps gemalt, es klebte auf seinem Waschbrettbauch. Die schwarze Cargo-Hose hatte unzählige Taschen für Rangers Wertsachen, obwohl
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