Die Chaos Queen
und öffnete vorsichtig die Tür zu meiner Wohnung. Vorsichtig schob ich den Kopf hinein und lauschte. Nur Rex war zu hören, er lief im Laufrad. Ich verriegelte die Tür hinter mir und holte meine Pistole aus der Keksdose. Die Pistole war nicht geladen, weil ich vergessen hatte, Munition zu kaufen, dennoch kroch ich durch die Wohnung und schaute in Wandschränke und unters Bett. Ich hätte auf niemanden schießen können, aber wenigstens sah es aus, als ob ich es ernst meinte.
Ich duschte und zog Jeans und T-Shirt an. Mit dem Haar machte ich mir nicht viel Mühe, da ich eh die dämliche Tucki-Mütze tragen musste. Zum Ausgleich umrandete ich die Augen dunkel und legte extra viel Wimperntusche auf. Rex fütterte ich mit ein paar Bohnen, dann machte ich mir ein Schinken-Käse-Sandwich. Beim Essen warf ich einen kurzen Blick auf die Pistole. Sie war geladen. Ich ging zur Keksdose und schaute hinein: Auf dem Boden lag eine Visitenkarte von RangeMan. Nur ein Wort war darauf geschrieben: BABE!
Es überlief mich heiß und kalt. Kurz überlegte ich nachzusehen, ob bei meiner Unterwäsche eine zweite Visitenkarte lag.
»Er will mich beschützen«, erklärte ich Rex. »Das macht er immer.«
Ich holte die Packung Schokoladeneis aus der Kühltruhe und nahm sie zusammen mit dem Schreibblock an den Esszimmertisch. Ich setzte mich hin, schaufelte das Eis in mich hinein und machte mir Notizen. Es gab vier Männer in ungefähr demselben Alter. Alle hatten irgendwann mal ein kleines Geschäft gehabt. Zwei kauften sich neue Autos. Alle verschwanden am selben Tag ungefähr zur selben Uhrzeit. Keiner der Wagen wurde je gefunden. Mehr wusste ich nicht.
Mein Verdacht, dass Anthony und Spiro ihre Hände im Spiel hatten, ließ sich nicht erhärten. Wahrscheinlich sah ich Verbindungen, wo gar keine waren. Nur eins war sicher: Ich wurde verfolgt, jemand wollte mir Angst machen. Und offensichtlich versuchte diese Person jetzt, mich zu töten. Kein besonders beruhigender Gedanke.
Als ich ungefähr ein Drittel der Eiscreme gegessen hatte, drückte ich den Deckel wieder drauf und stellte die Packung zurück in die Kühltruhe. Dann räumte ich alles Essbare fort und wischte über die Arbeitsfläche. Ich war keine großartige Hausfrau, aber ich wollte nicht, dass ich ermordet wurde und meine Mutter feststellen musste, dass meine Küche ein Drecksloch war.
7
Um halb drei verließ ich meine Wohnung. Vorsichtig umkreiste ich den Buick, suchte ihn nach Hinweisen auf eine versteckte Bombe ab. Ich sah durchs Fenster. Ich bückte mich und schaute unter das Auto. Schließlich steckte ich den Schlüssel in die Tür, kniff die Augen zu und drehte ihn um. Keine Explosion. Ich rutschte hinters Lenkrad, atmete tief durch und startete den Motor. Keine Explosion. Das war gleichzeitig eine gute und eine schlechte Nachricht. Wenn der Wagen explodiert wäre, wäre ich jetzt tot, und das wäre schlecht. Auf der anderen Seite müsste ich dann nicht diese furchtbare Tucki-Mütze tragen, und das wäre wiederum gut.
Zwanzig Minuten später stand ich vor Milton Mann und erhielt eine Einweisung.
»Du fängst an der Kasse an«, sagte er. »Es läuft alles automatisch, ist wirklich supereinfach. Du drückst auf die Taste für die jeweilige Bestellung, der Computer schickt sie zu den Kollegen nach hinten und sagt dir, wie viel der Kunde bezahlen muss. Du musst höflich und freundlich sein. Und wenn du dem Kunden sein Wechselgeld gibst, sagst du: ›Danke, dass Sie bei Tucki-Chicken waren. Einen tucki-schnucki Tag noch!‹ Und vergiss nicht, die Mütze aufzusetzen. Sie ist unser Markenzeichen!«
Die Mütze war eigelb und hahnenkammrot. Sie hatte einen Schirm wie eine Baseballkappe, bloß war der wie ein Schnabel geformt. Der Rest war ein großer Hühnerkopf, gekrönt von einem wabbeligen roten Kamm. Rote Hühnerbeine mit roten Hühnerzehen hingen neben den Ohren herunter. Der Rest der Uniform bestand aus einem eigelben kurzärmeligen Shirt und einer Hose mit Gummizug. Überall war das Hühnerlogo von Tucki-Chicken rot aufgedruckt. Das Shirt und die Hose sahen aus wie ein Schlafanzug für psychisch kranke Straftäter.
»Du machst zwei Stunden an der Kasse, dann kommst du an die Fritteuse«, erklärte Mann.
Wenn es mein Schicksal sein sollte, dass der Bombenleger mich umbrachte, dann hoffentlich, bevor ich an die Fritteuse musste, betete ich.
Wie sich herausstellte, war die Schicht an der Kasse von drei bis fünf easy-going: einige Kinder nach Schulschluss und ein
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